ZEW-Präsident Achim Wambach zur französischen EU-Ratspräsidentschaft

ZEW-Präsident Achim Wambach nimmt Stellung zur EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs.

Zum 1. Januar 2022 übernimmt turnusgemäß Frankreich für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft, die unter dem Motto „Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit“ steht. In diesem Zeitraum finden in Frankreich die Wahlen zum Präsidenten sowie zur Nationalversammlung statt. Diese Koinzidenz ist nicht spannungsfrei. Der Präsident des ZEW Mannheim, Prof. Achim Wambach, PhD, nimmt dazu Stellung:

„Die Aufgaben, vor denen die Französische Ratspräsidentschaft steht, sind gewaltig. Europa erholt sich nur langsam von der Coronakrise und gleichzeitig müssen weitgehende Weichen für den Strukturwandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft gestellt werden. Der französischen Ratspräsidentschaft kommt dabei die Aufgabe zu, die Ziele im Blick zu behalten und dafür Kompromisse im Rat zwischen den EU-Staaten sowie zwischen Rat und Parlament sowie der Kommission zu erarbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob der nationale Fokus bedingt durch die Wahlen in Frankreich diese Fähigkeit zur Kompromisssuche beeinträchtigt.

Dies wird sich insbesondere in der Klimapolitik zeigen und dem Engagement Frankreichs bei der Umsetzung des Klimapakets Fit-for-55, das die EU-Kommission vorgelegt hat. Frankreich hat angekündigt, den CO2-Grenzausgleichsmechanismus verabschieden zu wollen und Klimaziele vermehrt in der europäischen Handelspolitik zu verankern. Diese Maßnahmen sollten mit dem Aufbau eines internationalen Klimaclubs verbunden werden, um eine Abschottung Europas unter dem Deckmantel der Klimapolitik zu vermeiden.

Bedeckt hält sich die französische Regierung hinsichtlich der Einführung eines europäischen Handelssystems für Emissionen aus Kraft- und Brennstoffen, die im Straßenverkehr und in Gebäuden verwendet werden. Dieses System ist Kernbestandteil der Pläne der EU-Kommission zur Erreichung der ambitionierten europäischen Klimaziele. Es wird Frankreich, das diesem Instrument mit seinen Auswirkungen auf Benzin- und Dieselpreise skeptisch gegenübersteht, einiges an Geschick abverlangen, in dieser Thematik als neutraler Mittler zwischen den Staaten zu agieren.

Frankreich plant eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der „strategischen Souveränität Europas“. So sollen die sogenannten „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI), die staatliche Förderung von Unternehmen unter gelockerten Beihilfebedingungen ermöglichen, vermehrt eingesetzt werden. Dabei wird darauf zu achten sein, dass dieses Instrument selektiv in forschungsintensiven Sektoren mit Schlüsseltechnologien genutzt wird und nicht als Baustein zum Aufbau vermeintlicher europäischer Champions.

Wichtig zur Stärkung der digitalen Souveränität werden der Abschluss der Verhandlungen zum Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act DMA) sowie zum Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act, DSA) sein. Ziel des DMA ist es, offene und faire Märkte im digitalen Sektor zu ermöglichen. Die neuen Regelungen sind insbesondere für die Betreiber von digitalen Ökosystemen notwendig, die ihre Marktmacht aus dem einen in anliegende Märkte hebeln. Der allgemeinere Fokus auf Gatekeeper, wie es der Entwurf des DMA vorsieht, ist zu weitgreifend.

In den nächsten sechs Monaten stehen in Europa wichtige Entscheidungen für dessen wirtschaftliche Erholung sowie den Strukturwandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft an. Europa ist dabei am besten gedient, wenn diese Entscheidungen nicht zu einer Abschottung Europas führen, sondern dem Prinzip der offenen und fairen Märkte folgen.“

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