Flexibilisierung des Arbeitsentgeltes aus ökonomischer und juristischer Sicht

Flexibilisierung des Arbeitsentgeltes aus ökonomischer und juristischer Sicht

Ökonomen und Rechtswissenschaftler sehen in einer größeren Flexibilisierung des Arbeitsentgelts eine wichtige Voraussetzung zum Abbau der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Dabei wird häufig auf die Entwicklungen in Großbritannien oder den USA verwiesen, also Länder, in denen die Arbeitslosenquote in den Neunzigerjahren stark rückläufig war und in denen zum Teil einschneidende Deregulierungen in rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes erfolgten. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob das bundesdeutsche Lohnfindungssystem - gerade auch vor dem Hintergrund der mit dem technischen Fortschritt einhergehenden Änderungen der Arbeitsorganisation sowie der Integration Europas - wettbewerbs- und arbeitsplatzfeindlich ist und dadurch die Kluft zwischen den einzelnen Staaten immer größer wird.

In dem von Vertretern der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie der Rechtswissenschaften durchgeführten interdisziplinären Forschungsvorhaben wurden theoretische und empirische Grundlagen für ein besseres Verständnis der ökonomischen und juristischen Zusammenhänge zwischen dem Arbeitsrechtssystem (insbesondere Traifsystem), dem Grad der Lohnflexibilität und dem Arbeitsmarkt erarbeitet. Ziel war es, wirtschaftspolitisch gehaltvolle, theoretisch und empirisch fundierte Aussagen zu Ursachen und Folgen von Lohnrigiditäten zu liefern und daraus angemessene Handlungsoptionen für die Tarifvertragsparteien, die Unternehmen und die öffentlichen Entscheidungsträger abzuleiten.

Die empirischen Untersuchungen basierten auf der IAB-Beschäftigtenstichprobe 1975 bis 1995, auf einer im Rahmen des Projekts entwickelten und im Frühjahr 2000 am ZEW durchgeführten Befragung von Personalverantwortlichen in Unternehmen sowie auf Fallstudien und Interviews bei Unternehmen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

Die Ergebnisse belegen zunächst eine durchaus vorhandene Vielfalt der Entgeltfindung in Deutschland. Tariflöhne spielen zwar eine wichtige Rolle, allerdings sind sie rechtlich zwingend nur für etwa 40 v. H. der Unternehmen und 30 v. H. der Beschäftigten. Einzelvertragliche Regelungen der Löhne sind keineswegs selten. Dennoch legt die empirische Untersuchung die Existenz von Lohnrigiditäten nahe, die für tarifgebundene Arbeitnehmer auf Tariflöhne zurückgeführt werden können. Tariflöhne sind somit mitverantwortlich für unvollkommenen Lohnwettbewerb und damit auch für eine mangelnde Beschäftigungsdynamik in Deutschland. Dies basiert auf der kollektiven Verhandlungsmacht der Beschäftigten, die durch Kündigungsschutz, Mitbestimmung und Tarifautonomie noch gestützt wird. Zusätzlich konnten weitere Gründe für Lohnrigiditäten identifiziert werden, darunter Effizienzlöhne und nominal effiziente Verträge. Dies konnte erklären helfen, warum viele Unternehmen die bestehenden rechtlichen Spielräume für Lohnsenkungen nicht ausnutzen.

Neben den genannten ökonomischen Ursachen, die letztlich in der Rationalität von Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen zu Lohnrigiditäten führen, ist auch ein zunehmendes "Arbeitsrechtsrisiko" mitverantwortlich für den Mangel an Lohnflexibilität. So scheinen viele Unternehmen die bestehenden rechtlichen Spielräume für Lohnsenkungen wegen verbleibender rechtlicher Unwägbarkeiten nicht zu nutzen. Ausführliche Handlungsempfehlungen zur Flexibilisierung des Arbeitsentgelts können im Abschlussbericht nachgelesen werden.

Projektteam

Wolfgang Franz

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Präsident a.D.

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Prof. Dr. Walter A. Oechsler

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Prof. Dr. Volker Rieble

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Friedhelm Pfeiffer

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Ausgewählte Publikationen

Reasons for Wage Rigidity in Germany

Franz, Wolfgang und Friedhelm Pfeiffer (2006), Reasons for Wage Rigidity in Germany, LABOUR: Review of Labour Economics and Industrial Relations 20 (2) , 255-284

A Note on Labor Contracts and Wage Rigidities: An Empirical Investigation Using Survey Data

Franz, Wolfgang und Friedhelm Pfeiffer (2005), A Note on Labor Contracts and Wage Rigidities: An Empirical Investigation Using Survey Data, Applied Economics Quarterly 51 (2) , 219-228

Collective Wage Agreements and Firms' Employment Policies

Kaiser, Ulrich und Friedhelm Pfeiffer (2001), Collective Wage Agreements and Firms' Employment Policies, LABOUR: Review of Labour Economics and Industrial Relations 10 (3) , 319-341

Der Tarifvertrag als kollektiv-privatautonomer Vertrag

Rieble, Volker (2000), Der Tarifvertrag als kollektiv-privatautonomer Vertrag, ZfA , 5-27

Der Fall Holzmann und seine Lehren

Rieble, Volker (2000), Der Fall Holzmann und seine Lehren, NZA , 225-234

Wages in the East German Transition Process: Facts and Explanations

Franz, Wolfgang und Viktor Steiner (2000), Wages in the East German Transition Process: Facts and Explanations, German Economic Review 1 (3) , 241-269

Real and Monetary Challenges to Wage Policy in Germany at the Turn of the Millennium: Technical Progress, Globalization and European Monetary Union

Franz, Wolfgang (2000), Real and Monetary Challenges to Wage Policy in Germany at the Turn of the Millennium: Technical Progress, Globalization and European Monetary Union, ifo Studien (46) 1 , 13-53

Lohnumstellung auf den Euro - Handlungslasten und Handlungschancen für die betriebliche Praxis

Rieble, Volker (1999), Lohnumstellung auf den Euro - Handlungslasten und Handlungschancen für die betriebliche Praxis, INF , 110-114

Die Burda-Entscheidung des BAG

Rieble, Volker (1999), Die Burda-Entscheidung des BAG, ZTR , 483-488

Bündnis für Arbeit:

Rieble, Volker (1999), Bündnis für Arbeit: , Recht der Arbeit 52 , 169-177

Lohnstrukturen, Qualifikation und Mobilität

Franz, Wolfgang (1999), Lohnstrukturen, Qualifikation und Mobilität, Sonderheft der Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 219 (1+2)

Wirkung des technischen Fortschritts auf die Qualifikationsstruktur der Beschäftigung und die Entlohnung

Klotz, Stefan, Friedhelm Pfeiffer und Winfried Pohlmeier (1999), Wirkung des technischen Fortschritts auf die Qualifikationsstruktur der Beschäftigung und die Entlohnung, Journal of Economics and Statistics/ Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 219 (1+2) , 90-108

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