Flexibilisierung der Arbeitsentgelte und Beschäftigungseffekte - Ergebnisse einer Unternehmensbefragung

ZEW-Dokumentation Nr. 00-09 // 2000
ZEW-Dokumentation Nr. 00-09 // 2000

Flexibilisierung der Arbeitsentgelte und Beschäftigungseffekte - Ergebnisse einer Unternehmensbefragung

Anhaltend hohe Arbeitslosenzahlen in Deutschland werden immer wieder auch auf eine zu rigide Entgeltstruktur zurückgeführt. Diese Inflexibilität habe ihre Ursache in einem (zu) stark regulierten Arbeitsmarkt. Das deutsche Arbeitsrecht lasse Flexibilisierungen im Entgelt-bereich nicht (oder zumindest nicht hinreichend) zu. Obwohl diese Thesen von Wirtschafts-politikern und Ökonomen vertreten werden, fehlt es bislang an einer umfassenden theoretischen Aufarbeitung und empirischen Überprüfung.

Die in dieser Studie vorgestellten Befragungsergebnisse liefern erstmals repräsentative Daten für rund 38v.H. aller privaten Unternehmen über deren Entgeltsysteme - politik. Damit schließt die Studie eine Forschungslücke zwischen Einzelfallstudien zur Entgeltfindung in den Unternehmen und sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Analysen zum Zusammenhang zwischen Entgeltstrukturen und Beschäftigung.

An der Umfrage haben sich 801 Unternehmen aus dem Industrie- und Dienstleistungsbereich sowie aus dem in den letzten Jahren stark wachsenden Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen beteiligt. Die Studie verdeutlicht das Zusammenwirken rechtlicher und ökonomischer Faktoren bei der Entgeltfindung. Hält man das Entgeltniveau in Deutschland für zu hoch, so legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, dass vollbeschäftigungskonformere Entgeltrelationen - etwa durch eine Verlagerung der Entgeltfindung auf die betriebliche Ebene - nicht so ohne weiteres erreicht werden können. Denn Entgeltstarrheiten lassen sich nur zum Teil auf rechtliche Restriktionen zurückführen. Inflexibilitäten im Entgeltbereich haben auch ökonomische Gründe, die in der Rationalität von Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen liegen, wobei die Umfrageergebnisse auf verstärkte Anstrengungen zur Flexibilisierung der Entgelte in den Unternehmen hindeuten.

Eine Bestandsaufnahme bestehender Vergütungssysteme zeigt, dass in den fünf untersuchten Branchen (Chemie, Metall-/Elektroindustrie/Maschinenbau, Handel, Banken und Versicherungen, unternehmensnahe Dienstleister) nur rund 39v.H. der Unternehmen Tarifverträge überhaupt anwenden. Das könnte den Weg für eine experimentelle Entgeltpolitik auf Unternehmensebene frei machen, doch wird der Tarifvertrag um so öfter angewandt, je größer die Belegschaft der einzelnen Unternehmen ist. Insgesamt arbeiten daher ca. 77v.H. aller Beschäftigten in Unternehmen, die Tarifverträge anwenden.

Für die Gruppe der gering qualifizierten Arbeitnehmer stellten Tarifverträge und implizite Kontrakte wesentliche Flexibilisierungshemmnisse dar; für hochqualifizierte Arbeitnehmer stehen Personalbeschaffungs- und Einarbeitungskosten sowie betriebsspezifisches Humankapital im Vordergrund. Unternehmen scheinen auch deshalb von Entgeltsenkungen abzusehen, weil dadurch die Gefahr zunimmt, dass die jeweils besten Arbeitnehmer einer jeden Qualifikationsgruppe abwandern und dies negative Signale für die Anwerbung neuer Mitarbeiter bedeutet.

Franz, Wolfgang, Martin Gutzeit, J. Lessner, Walter A. Oechsler, Friedhelm Pfeiffer, L. Reichmann, Volker Rieble und J. Roll (2000), Flexibilisierung der Arbeitsentgelte und Beschäftigungseffekte - Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, ZEW-Dokumentation Nr. 00-09, Mannheim

Autoren/-innen Wolfgang Franz // Martin Gutzeit // J. Lessner // Walter A. Oechsler // Friedhelm Pfeiffer // L. Reichmann // Volker Rieble // J. Roll