#ZEWPodcast: Arbeitsmarktwunder Migration?

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Katrin Sommerfeld zu Gast im ZEW-Podcast

Warteschlangen an Flughäfen. Stellenausschreibungen in vielen Schaufenstern. Unternehmen, die ihre Aufträge nicht abarbeiten können. Der Mangel an qualifizierten, aber auch an weniger qualifizierten Arbeitskräften ist aktuell eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen. Selbst Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil flogen Anfang Juni nach Brasilien, um dort Pflegekräfte anzuwerben. Aber kann mehr Zuwanderung die Probleme wirklich lösen? Im neuen ZEW-Podcast spricht Dr. Katrin Sommerfeld, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“, über Arbeitskräfte-Engpässe, Zuwanderung und darüber, wie beide Themen ineinandergreifen. Zudem erläutert sie, welche früheren Annahmen sich aus heutiger Sicht als falsch erwiesen haben.

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Zum Beispiel die EU-Osterweiterung. Sie wurde anfangs sehr kritisch gesehen. In Politik und Gesellschaft wurde befürchtet, dass es zu sinkenden Löhnen, hoher Arbeitslosigkeit sowie dem Einwandern in die Sozialsysteme käme. Rückblickend stellt es sich ganz anders dar, wie Sommerfeld erläutert: „In der Arbeitsmarktökonomik ist man sich relativ einig darin, dass das deutsche Arbeitsmarktwunder der letzten zwei Jahrzehnte eigentlich nur aufgrund der Zuwanderung aus Osteuropa möglich war.“

Durch die EU-Osterweiterungen von 2004 und 2007 sowie der nach sieben Jahren folgenden Arbeitnehmerfreizügigkeit verdoppelte sich der Beschäftigtenanzahl von 3 auf 6 Prozent innerhalb einer Dekade. Zudem „arbeiten die osteuropäischen Beschäftigten überproportional häufig in sogenannten Fachkräftemangelberufen, also in Berufen, wo die Bundesagentur für Arbeit einen Fachkräftemangel definiert hat.“

Anhand einer dänischen Studie konnte sie zeigen, dass Geflüchtete keine niedrig qualifizierten Einheimischen vom Arbeitsmarkt verdrängen, sondern eher das Gegenteil passiert: „Im Mittel übernehmen dänische, niedrigqualifizierte Beschäftigte etwas andere Tätigkeiten, die stärkere Komponenten mit Kommunikationsaufgaben beinhalten und weniger händische, körperliche Arbeit. Diese Tätigkeiten sind besser bezahlt. Das heißt, die dänischen niedrig qualifizierten Arbeitskräfte wurden durch die Ankunft von niedrig qualifizierten Geflüchteten in etwas bessere Jobs gepusht und profitieren dann von höheren Löhnen. Die Annahme ist, dass die Einheimischen einen relativen Sprachvorteil haben und deshalb diese stärker kommunikationsintensiven Jobs machen.“

Digitalisierung ist ebenso notwendig

Trotz all dieser Vorteile dämpft sie die Euphorie. Die Anzahl an Erwerbspersonen geht aufgrund des demografischen Wandels zurück. Um das Niveau zu halten, müssten mehr Frauen eine Beschäftigung aufnehmen, mehr Personen von Teil- in Vollzeit wechseln und es brauche Zuwanderung. „Das alles zusammen wird aber immer noch nicht reichen“, stellt Sommerfeld fest und erklärt, dass es auch andere Möglichkeiten gäbe: „Die Unternehmen können ja auch ihre Produktionsfunktion anpassen. Das heißt, sie können Teile der Produktion automatisieren, digitalisieren und dann braucht es weniger Beschäftigte.“ Angenommen, ein Restaurant könne kein Servicepersonal finden, dann wäre es eine Alternative, ein digitales Bestellsystem einzuführen. Das wäre zwar teuer, höhere Löhne oder Umsatzeinbußen wären es aber auch.