Nachgefragt: Wie erreichen wir Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz?

Nachgefragt

Unterschiede zwischen verschiedenen Qualifikationsniveaus sind vorhanden

ZEW-Wissenschaftlerin Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes erklärt im Interview, welche Herausforderungen Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz mit sich bringt.

Familienbedingte Auszeiten, Teilzeitarbeit, schlechter bezahlte Berufe – die Ursachen für das unterschiedliche Einkommensniveau zwischen Frauen und Männern sind vielfältig. In Deutschland verdienen Frauen derzeit durchschnittlich 19 Prozent weniger als Männer.

ZEW-Wissenschaftlerin Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes erklärt im Interview mit der ZEWnews, wo die Herausforderungen aktuell liegen und wie Beschäftigte eine Geschlechterquote bewerten.

Hat sich etwas bei der Lohnlücke getan?

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich einiges verbessert, die Lohnlücke war früher zeitweise noch größer. Es ist erfreulich, dass sich der Abstand zwischen den Geschlechtern verringert. Mit 19 Prozent gibt es noch eine markante Differenz, die sich durch viele Faktoren erklären lässt. Es bleibt in der Forschung immer auch ein Teil übrig, der nicht zu erklären ist.

Die unterschiedliche Berufswahl spielt hier eine Rolle, Teilzeitarbeit, Auszeiten wegen Elternzeit – all dies erklärt, warum Frauen weniger verdienen und wesentlich seltener Führungspositionen innehaben. Aber vergleicht man Frauen, die in ähnlichen Positionen arbeiten wie Männer, dann bleiben immer noch sechs Prozent Lohnlücke übrig. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass Frauen ihr Einkommen schlechter verhandeln oder sich nicht so erfolgreich wie Männer trauen einzufordern, was sie verdienen sollten. Sie sind im Durchschnitt weniger kompetitiv, weniger risikofreudig als Männer. Das sind alles Eigenschaften, die die restlichen sechs Prozent erklären können.

Spielt das Qualifikationsniveau auch eine Rolle?

Es gibt durchaus Unterschiede zwischen verschiedenen Qualifikationsniveaus. Man sieht zum Beispiel bei hochqualifizierten Frauen, dass sie sich stärker im Arbeitsmarkt beteiligen als niedrig qualifizierte Frauen. Wenn sie Kinder bekommen, kommen sie schneller wieder zurück in den Job und arbeiten seltener in Teilzeit. Das hilft ihnen natürlich, dass die Lohnlücke zu den Männern nicht zu groß wird. Außerdem gehen hochqualifizierte Frauen auch häufiger in Führungspositionen. Dennoch sind auch hier die Geschlechterunterschiede markant.

Deshalb sollten wir uns bei Gehältern und Führungspositionen nicht nur Gedanken über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern machen, sondern auch über die Unterschiede innerhalb der Gruppe der Frauen. Weltweit sieht man in vielen industrialisierten Ländern, dass die Lücke zwischen niedrig- und hochqualifizierten Frauen steigt, wogegen sie im Durchschnitt zwischen Frauen und Männern sinkt.

Wie kommt eine Geschlechterquote an?

Im Grunde genommen gibt es zwei Motive, wie man eine Quote einschätzen kann: Man kann sie gerecht finden, weil man findet, dass die Gruppe, die durch die Quote bevorteilt wird, vorher benachteiligt war. Das umgekehrte Motiv basiert auf dem Leistungsprinzip: Beschäftigte lehnen eine Quote ab, weil nach ihrer Auffassung nach Leistung beurteilt werden sollte. Sie sind der Meinung, dass die Quote ungerechtfertigter Weise Menschen bevorteilt, die eine schlechtere Leistung erbringen.

Diese zwei Motive pro und contra einer Geschlechterquote haben wir in einer Studie abgefragt. Sie zeigt: Es gibt einen hohen Anteil an Beschäftigten, die mit der Quote einverstanden sind. Es gibt aber auch einen signifikanten Anteil, die eine Quote nicht gerecht finden. Männer sind dabei häufiger gegen eine Quote als Frauen. Das Gerechtigkeitsargument ist erheblich stärker bei den Frauen ausgeprägt, das Leistungsprinzipmotiv dagegen viel stärker bei den Männern. Vor allem dort, wo Männer potenziell durch eine Geschlechterquote bedroht sind, sehen wir, dass die negative Einschätzung einer Geschlechterquote stärker ausgeprägt ist.

Außerdem ist das Gerechtigkeitsmotiv vor allem dann ausgeprägt, wenn Angestellte Ungerechtigkeiten im Betrieb bei der Besetzung von Führungsposition sehen. Dieser Zusammenhang, dass Angestellte die Situation bisher als ungerecht empfunden haben und finden, eine Quote sei notwendig, um sie gerechter zu gestalten, ist bei der Einschätzung klar zu sehen.

Neben der Geschlechterquote gibt es das Entgelttransparenzgesetz. Trägt es zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei?

Ob es Wirkung zeigt im Sinne dessen, dass sich die Lohnlücke verringert, wage ich zu bezweifeln. Viel Forschung gibt es dazu noch nicht, da das Gesetz relativ jung ist. Was wir aber schon jetzt sagen können: Die Möglichkeit, sich im Unternehmen ausrechnen zu lassen, wo man als Arbeitnehmer/in steht, wird bislang relativ selten genutzt.

Weitere Informationen

Folge 11 mit Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Gleichberechtigung am Arbeitsplatz

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