Finanzwissenschaftler/innen beleuchten aktuelle Herausforderungen für die Politikgestaltung

Konferenzen

ZEW-Public-Finance-Konferenz 2023 zu Fiskalpolitik in Krisenzeiten

Rüdiger Bachmann verband seine Forschungserkenntnisse mit seinen Erfahrungen aus der Politikberatung.

Am 4. und 5. Mai 2023 fanden sich rund 100 Wissenschaftler/innen und Interessierte am ZEW Mannheim zur jährlichen Public-Finance-Konferenz ein. Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung stand die Frage, wie Fiskalpolitik in Krisenzeiten gestaltet werden kann.

Diesem Thema widmete sich auch Hauptredner Prof. Rüdiger Bachmann von der University of Notre Dame in den USA. Dabei kombinierte er Erkenntnisse aus seinen Forschungspapieren zu den jüngsten Krisen – Corona- sowie Energiekrise – mit Erfahrungen aus der Politikberatung. Diese Mischung aus praxisnaher Forschung und Reflektion politischer Realitäten fand beim Publikum  großen Anklang. Zentrales Element seines Fazits: Erfolgreiche wissenschaftliche Politikberatung kann nur erfolgen, wenn die relevanten Daten verfügbar gemacht werden.

Indikatoren für die Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben

Sarah Zubairy über aktuelle Forschung zu Fiskalmultiplikatoren

Sarah Zubairy, Professorin an der Texas A&M University, gab in ihrem Vortrag einen tiefen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu Fiskalmultiplikatoren. Konzeptionell beschreiben Fiskalmultiplikatoren das Verhältnis, in dem das Nationaleinkommen aufgrund von zusätzlichen Staatsausgaben ansteigt. Dabei zeigte sie auf, dass die vervielfältigende Wirkung von Staatsausgaben kritisch von der makroökonomischen Ausgangslage abhängt. So sind die Fiskalmultiplikatoren in einer nachfrage-getriebenen Rezession mit sinkender Inflation größer als in einer angebotsseitigen Rezession mit steigender Inflation. Zubairy beschrieb, dass dies durch die Interaktion von Real- und Nominallöhnen bedingt sei; spezifisch führe die Nominallohnstarrheit nach unten bei sinkender Inflation zu einem Reallohnlevel über dem theoretischen Optimum, was zu geringeren Reallohnsteigerungen durch die Staatsinvestitionen führt.

Spannende Vorträge zu Staatsinvestitionen und geldpolitischen Maßnahmen

Eine erfolgreiche Neuerung in diesem Jahr waren die durch Unterstützung des MannheimTaxation Science Campus ermöglichten Sessions. An beiden Nachmittagen begeisterten insgesamt vier Rednerinnen und Redner mit ihrer exzellenten Forschung zum Konferenzhauptthema. Am ersten Konferenztag stellten Prof. Ethan Ilzetzki von der London School of Economics und Paolo Surico, Professor an der London Business School, neue Forschungsarbeit zu den Auswirkungen von Staatsinvestitionen vor. Anhand historischer Daten zeigte Ethan Ilzetzki auf, dass staatliche Nachfrage bei Unternehmen, welche bereits besonders stark ausgelastet waren, zu Innovationen im Produktionsprozess führte, ein Phänomen das er als „Lernen aus Notwendigkeit“ beschrieb. Dahingegen erläuterte Surico, dass die errechnete Höhe von Fiskalmultiplikatoren kritisch vom betrachteten Zeithorizont abhängt. Diese Erkenntnis konsolidiert nicht nur die unterschiedlich hoch ausfallenden Fiskalmultiplikatoren in der Literatur, sondern trägt auch zum Verständnis der langfristigen Effekte von staatlichen Investitionen bei.

Am zweiten Tag standen dann Nora Traum, Professor an der HEC Montreal, Kanada, sowie Prof. Benjamin Born, Frankfurt School of Finance & Management, auf dem Podium. Traum referierte dabei zur unkonventionellen Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nach Ausbruch der Corona-Pandemie, welche direkt in die Märkte für Kommunalanleihen eingriff. Born präsentierte seine Arbeit zu Spreads von Länderanleihen in fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften und zeigte, dass diese seit der Finanzkrise 2008 stark konvergieren.

Finanzierung struktureller EU-Reformen

Policy Roundtable zur Finanzierung der strukturellen Transformation der EU

Neben diesen eingeladenen Vorträgen gab es auch einen gemeinschaftlich vom ZEW und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) organisierten Policy Roundtable zur Frage, wie die strukturelle Transformation der Europäischen Union finanziert wird. Moderiert von ZEW-Ökonom Prof. Dr. Friedrich Heinemann diskutierten die Gäste Prof. Thiess Büttner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nadine Leiner-Killinger von der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie Matjaz Susec vom ESM dazu.

Schließlich wurden 50 aktuelle Forschungsarbeiten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Breite des Themengebiets der öffentlichen Finanzwissenschaft vorgetragen und kritisch diskutiert. 17 parallele Sessions befassten sich unter anderem mit der optimalen Gestaltung von Steuern, der Bildung von Vermögen, Fiskalpolitik in Währungsunionen, Klimapolitik, Ungleichheit und Umverteilung, Besteuerung und Steueranreize für Unternehmen, Einkommensbesteuerung sowie Pensionssystemen.

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