„Ohne enge Grenzen für das Kaufprogramm wird EZB zum Spielball der Fiskalpolitik“

Kommentar

Vor dem Europäischen Gerichtshof wird heute das EZB-Kaufprogramm für Staatsanleihen (Public Sector Purchasing Programme: PSPP) verhandelt. Kernvorwurf der Kläger ist, dass die EZB mit dem Programm unerlaubte monetäre Staatsfinanzierung betreibe. In einer Kurzexpertise hat Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, zu dieser Frage Stellung bezogen.

Er fasst seine Schlussfolgerungen in folgender Weise zusammen: „Der Gerichtshof kann das noch bis Jahresende laufende Kaufprogramm nicht stoppen. Wichtiger ist daher die Frage, ob der Neuauflage des Programms in der nächsten Krise Grenzen gesetzt werden sollen. Tatsächlich verdichten sich die Hinweise, dass PSPP immer weiter in den unerlaubten Bereich der monetären Staatsfinanzierung rückt. Das Verteidigungsargument der EZB, dass sie Anleihen nicht direkt am Primärmarkt kauft, sondern erst nach einer den Marktteilnehmern nicht bekannten Sperrfrist, kann immer weniger überzeugen. Aufgrund des Umfangs des Programms können Investoren die Sperrfrist der EZB heute zuverlässig ableiten.

Hinzu kommt, dass die EZB inzwischen bei immer mehr Anleihen nahe an die Obergrenze von 33 Prozent EZB-Anteil am Gesamtvolumen rückt. Müsste die EZB diese Grenze in einer zukünftigen Fortsetzung des Programms anheben, dann würde sie unweigerlich zum strategischen Investor. Denn oberhalb eines Anteils von 33 Prozent hätte die EZB eine Sperrminorität unter den Gläubigern, mit der sie bei Umschuldungsverhandlungen Beschlüsse verhindern könnte. Für die besondere Begünstigung hoch verschuldeter Staaten spricht, dass die EZB ihr eigenes Ziel einer Aufteilung der Käufe nach EZB-Kapitalschlüssel schon lange nicht mehr einhalten kann. Weil das Material der niedrig verschuldeten Staaten knapp geworden ist, muss sie immer stärker in Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten wie Italien, Spanien und Frankreich ausweichen.

Einen weiteren Beleg, dass das Programm inzwischen eine wichtige Rolle für die Staatsfinanzierung spielt, haben im Juni italienische Regierungsvertreter geliefert. Diese hatten die EZB kritisiert, weil der Anteil Italiens an den Ankäufen im Mai kurzzeitig gefallen war. Die Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof ist daher eindeutig: Der Gerichtshof sollte dem Anleihekaufprogramm für die Zukunft enge Grenzen setzen, damit die EZB nicht vollends zum Spielball der Fiskalpolitik wird.“

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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail friedrich.heinemann@zew.de