Zum Krisenpotenzial von Wechselkursmanipulationen - Starke Aufwertung des Yuan gefährdet Stabilität der Weltwirtschaft

Nachgefragt

Wie gefährlich globale Ungleichgewichte sind, hat die Finanzkrise der Welt jüngst deutlich vor Augen geführt. Von einem Abbau der Leistungsbilanzdefizite auf der einen und einem Abschmelzen der Überschüsse auf der anderen Seite scheint die Weltwirtschaft derzeit aber weiter entfernt als vor der Krise: So stehen einige Länder, darunter insbesondere China, in der Kritik, die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit gezielten Währungsmanipulationen zu Lasten anderer Länder zu verbessern. Welche Probleme von einem unterbewerteten Yuan ausgehen, erklärt Dr. Marcus Kappler, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Wachstums- und Konjunkturanalysen am ZEW. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre in Tübingen, Maryland (USA) und Berlin promovierte Dr. Marcus Kappler im Jahr 2007 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit dem Jahr 2002 am ZEW beschäftigt, ist Kappler stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Wachstums- und Konjunkturanalysen. Er forscht insbesondere zur Genauigkeit von Konjunkturprognosen, der strukturellen Arbeitslosigkeit und den Einflussfaktoren des Produktionspotenzials.

Die Vereinigten Staaten werfen China vor, den Yuan künstlich schwach zu halten und dadurch seinen Export und das heimische Wirtschaftswachstum anzuheizen. Ist mit einer Aufwertung des Yuan zu rechnen?
Kappler: Die globalen Wechselkursschwankungen sind unter anderem das Resultat der expansiven Geldpolitik der Vereinigten Staaten. Allein die Ankündigung der Notenbank, die Politik des billigen Geldes fortzuführen, hat den Dollar auf den Devisenmärkten stark unter Druck gesetzt. Außerdem ist die konjunkturelle Lage in China noch nicht gefestigt, auch dürfte der Außenhandelsüberschuss dort bald seinen Höhepunkt erreicht haben. Zwar hat die Chinesische Volksbank im Juni die enge Dollarbindung gelockert und damit einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer Flexibilisierung des chinesischen Wechselkurssystems getan. In der Folge hat der Yuan gegenüber dem Dollar leicht aufgewertet. Eine weitere Aufwertung des Yuan ist derzeit aus chinesischer Sicht aber keine Option. Die Weltwirtschaft muss erst wieder Tritt fassen, bevor von China erwartet werden kann, mit Anpassungen seiner Devisenpolitik zum Abbau der globalen Ungleichgewichte beizutragen. Schädlich wird es, wenn die derzeitigen Turbulenzen dazu führen, dass handelsprotektionistische Tendenzen generell verstärkt werden.

Welche Länder bringt der weiche Yuan besonders in Schwierigkeiten?
Kappler: Nicht nur der Yuan, sondern auch der koreanische Won, der brasilianische Real und der argentinische Peso sind unterbewertet. Überwertet sind hingegen der US-Dollar und der Euro, woraus sich Belastungen für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure aus dem
Euro- und Dollarraum ergeben. Bisher trägt die Hauptlast der Dollar-Abwertung der Euro, da die Zentralbanken in den Schwellenländern ihre Wechselkurse durch Interventionen an die Dollar-Entwicklung koppeln, während die EZB solche gezielten Aktionen an den Devisenmärkten nicht durchführt. So hat der Euro gegenüber dem Dollar in den vergangenen
Wochen bereits deutlich an Wert gewonnen. Sollte sich dies fortsetzen, würde der Anstieg der deutschen Exporte gebremst. Dies könnte die konjunkturelle Erholung hierzulande belasten.

Die Vereinigten Staaten drohen, chinesische Einfuhren mit Strafzöllen zu belegen. Ist das eine Lösung?
Kappler: Strafsteuern auf chinesische Importe wären sicher eine drastische Antwort auf die Wechselkursinterventionen der chinesischen Regierung. Die Vereinigten Staaten werden jedoch diese Drohung vermutlich nicht umsetzen, da eine schädliche Spirale von Vergeltungsaktionen in Gang gesetzt werden würde. Mal abgesehen von rechtlichen Fragen zur Umsetzung einer solchen Strafaktion im Rahmen der bindenden Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommen, sollten Maßnahmen zur Reduzierung der Leistungsbilanzungleichgewichte ergriffen werden, die am Kern des Problems ansetzen.

Was muss demnach getan werden, um die globalen Ungleichgewichte abzubauen?
Kappler: Im Leistungsbilanzüberschuss Chinas spiegelt sich ein Überschuss an Ersparnissen im Vergleich zu den Investitionen. Hohe Kapitalabflüsse aus dem Reich der Mitte, deren Ziel insbesondere die Vereinigten Staaten sind, sorgen für die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite andernorts. Will man diese Ungleichgewichte abbauen, sollten eher Interventionen an den Kapitalmärkten vorgenommen werden als Eingriffe, die den internationalen Handel stören. Der Vorschlag zur Einführung einer Kapitalbilanz-Reziprozität von Daniel Gros etwa geht in die richtige Richtung: Nur wenn China seine Kapitalmärkte für ausländische Investoren öffnet, dürfen Chinas Banken im Gegenzug Kapitalanlagen im Ausland tätigen, insbesondere Käufe ausländischer Staatsanleihen. Amerikanische Staatsanleihen würden dadurch unattraktiver für chinesische Kapitalanleger und die Vereinigten Staaten müssten mehr auf eine heimische Finanzierung ihrer Staatsschulden setzen. Einem Abbau der Ungleichgewichte wäre dies zuträglich.

Der Kurs des Yuan ist fest an andere Währungen gekoppelt – vor allem an den Dollar. Was würde passieren, wenn China den Wechselkurs freigäbe?
Kappler: Eine vollständige Freigabe ist derzeit nicht abzusehen. Ob eine komplette Freigabe des Yuan überhaupt dem Ziel des Abbaus der Ungleichgewichte zwischen China und den Defizitländern zuträglich wäre, ist unter Ökonomen umstritten. Klar dürfte aber sein, dass eine starke Aufwertung, welche die Folge einer kompletten Wechselkursfreigabe wäre, die auf Yuan lautende Schuldenlast der chinesischen Banken und Staatsunternehmen erhöhen und dadurch deren Stabilität gefährden würde. Im schlimmsten Fall käme es zu einer Krise im chinesischen Finanzsystem, welche zweifelsohne erhebliche Ausstrahlungen auf den Rest der Welt hätte.

Ansprechpartner:
Marcus Kappler, kappler@zew.de
Kathrin Böhmer, boehmer@zew.de