ZEW-Konferenz zur Zukunft der Fiskalpolitik in Europa

Konferenzen

Martin Hellwig, Ph.D., diskutierte in seinem Vortrag EZB-Ankaufprogramme und deren Wirkung auf staatliche Akteure

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) organisierte gemeinsam mit dem Mannheimer Sonderforschungsbereich „Die Politische Ökonomie von Reformen“ (SFB 884) am 23. und 24. April 2018 die alljährliche ZEW Public Finance Conference. Den rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde ein vielseitiges Programm geboten, in dessen Rahmen aktuelle Forschungsarbeiten aus allen Bereichen der öffentlichen Finanzen sowie der politischen Ökonomik präsentiert wurden. Den Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz bildete die theoretische und empirische Forschung zur Koordinierung von Finanzpolitiken in der Europäischen Währungsunion.

Agnès Bénassy-Quéré, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Paris School of Economics und ehemalige Vorsitzende des französischen Sachverständigenrats für Wirtschaft, gab als erste Hauptrednerin der Konferenz einen Überblick über einen aktuellen Vorschlag zur Reformierung der Europäischen Währungsunion, den sie mitausgearbeitet hat. Durch einumfangreiches Maßnahmenpaket soll eine Versöhnung von Marktdisziplin und Risikoteilung in der Eurozone erreicht werden, um künftige Wirtschafts- und Finanzmarktkrisen zu vermeiden oder zumindest abzufedern. Die Maßnahmen sehen unter anderem eine in wirtschaftlich schlechten Zeiten abrufbare Fiskalkapazität für eine stärkere Risikoteilung in der Eurozone und eine Ausgabenregelung für die Euro-Mitgliedsländer zur Straffung der Haushaltsdisziplin vor. Außerdem sollen Risiken im Bankenmarkt durch geringere Abhängigkeit einzelner Banken von Staatsschuldtiteln besser verteilt und z.B. durch einen europäischen Währungsfonds auf Basis des ESM verringert werden. Für stark überschuldete Mitgliedsstaaten ist auch ein geordnetes Insolvenzverfahren als Ultima Ratio vorgesehen.

EZB-Ankäufe - Notwendiges Übel oder indirekte Staatsfinanzierung?

Prof. Agnès Bénassy-Quéré referierte in ihrer Keynote zu Reformen für mehr Marktdisziplin und Risikoteilung im Euroraum.

In der zweiten Hauptrede der Konferenz diskutierte Martin Hellwig, Ph.D., emeritierter Professor und Direktor des Max-Plank-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn, das Verhältnis zwischen Geld- und Fiskalpolitik und kritisierte weitläufige Fehleinschätzungen, die seiner Auffassung nach insbesondere deutschen Finanzwissenschaftlern unterliefen. Denn oft wird die Europäische Zentralbank (EZB) dafür kritisiert, dass ihre Politik die Finanzierungsbedingungen von Staaten beeinflusse, was aber aus Hellwigs Sicht ein unvermeidliches Element des geldpolitischen Transmissionskanals ist. Das Quantitave-Easing(QE)-Programm der EZB ist dabei nicht wegen möglicher schädlicher Wirkungen auf staatliche Finanzierungsbedingungen kritisch zu sehen, sondern eher da das QE durch umfangreiche Kreditgewährung den ohnehin geschwächten Banken Geschäfte erschwere.

ZEW und SFB 884 als Plattform aktueller Forschung aus Finanzwissenschaft und politischer Ökonomik

Im weiteren Verlauf der Konferenz präsentierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in 15 Sessions aktuelle Forschungsergebnisse zu unterschiedlichen Teildisziplinen der Finanzwissenschaft sowie der politischen Ökonomik. Inhaltlich deckten die Beiträge ein breites Spektrum an Forschungsthemen ab, die von Ausgestaltungsmöglichkeiten der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) über die Multiplikator-Wirkungen von öffentlichen Transfers und Steuerreformen bis hin zu polit-ökonomischen Anreizen der Flüchtlingspolitik reichten. Zudem wurde die Besteuerung geistigen Eigentums ebenso wie die Wirksamkeit und Verteilungswirkung öffentlicher Transferleistungen diskutiert. So zeichnete sich die erfolgreiche Veranstaltung durch ihre Interdisziplinarität ganz im Sinne des SFB 884 „Politische Ökonomie von Reformen“ aus. Der Sonderforschungsbereich ist an der Universität Mannheim angesiedelt und möchte neue Erkenntnisse über Hürden für politische Reformvorhaben in Wohlfahrtsstaaten gewinnen. Er wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Die beteiligten Forscher kommen aus unterschiedlichen Disziplinen wie der VWL, Politikwissenschaft, Soziologie und Statistik. Am ZEW forschen affiliierte Mitarbeiter im Rahmen des SFB unter anderem zur politischen Ökonomie öffentlicher Haushaltspolitik.