ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann zur Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht

Kommentar

„Dienstpflicht würde Arbeitskräftemangel verschärfen“

Die CDU hat sich auf ihrem 36. Parteitag gegen die Aussetzung der Wehrpflicht und für einen schrittweisen Übergang zu einem sozialen Pflichtjahr ausgesprochen. Der Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Heidelberg, Friedrich Heinemann, erklärt zur Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht:

„Auf den ersten Blick erscheint eine allgemeine Dienstpflicht plausibel. Bei der Bundeswehr oder in der Pflege fehlt Personal, viele junge Menschen würden im Verlauf einer solchen Dienstpflicht wichtige Fähigkeiten erlernen und einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Eine Win-Win-Situation, könnte man meinen. Doch der Schein trügt, denn die arbeitsmarkt- und finanzpolitischen Folgen werden in der Debatte kaum berücksichtigt.

Das Argument, dass eine Dienstpflicht Kosten spart oder dem zunehmenden Personalmangel im Bereich der kritischen Infrastrukturen wirksam begegnet, ist nicht überzeugend. Ein soziales Pflichtjahr würde den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Wirtschaft insgesamt sogar noch verschärfen. Mit der Einführung einer solchen Dienstpflicht würde ein ganzer Jahrgang von Schulabgängern/-innen dem Arbeitsmarkt erst mit einem Jahr Verspätung zur Verfügung stehen. Junge Männer und Frauen würden ihre Ausbildung oder ihr Studium erst später beginnen. In einer Zeit, in der die Jahrgangsstärken ohnehin abnehmen und die Betriebe über einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern klagen, wäre dies kontraproduktiv.

Die jungen Menschen verrichten im Pflichtjahr notgedrungen die Arbeit von ungelernten Arbeitskräften. Mehr als ein Crashkurs ist in maximal einem Jahr nicht möglich, um dann überhaupt noch Zeit für den eigentlichen Arbeitseinsatz zu haben. Das reicht weder bei der Bundeswehr mit ihren anspruchsvollen Aufgaben noch im sozialen Bereich für eine Arbeit, die über Handlangerdienste hinausgeht. Diese massive Verschiebung von qualifizierter zu unqualifizierter Arbeit würde Wertschöpfung vernichten und das Wachstumspotenzial Deutschlands weiter verringern.

Im Kern offenbart die Forderung nach einem Pflichtdienst auch eine Geringschätzung der Qualifikationen in den betroffenen Bereichen. Hier schwingt die Fehleinschätzung mit, man könne Menschen schnell zu Soldaten/-innen, Pflegekräften oder Erziehern/-innen ausbilden. All dies entspricht in keiner Weise den beruflichen Realitäten.“