Entwicklungsländer - Mit Wachstumsanleihen aus der Schuldenfalle?

Forschung

Große Hoffnungen werden derzeit in ein neues Instrument gesetzt, das möglicherweise verhindern kann, dass Entwicklungsländer in eine Schuldenfalle geraten: so genannte Wachstumsanleihen. Argentinien hat Wachstumsanleihen im Rahmen der laufenden Umschuldungsverhandlungen in die Diskussion gebracht, um wieder Zugang zum internationalen Kapitalmarkt zu bekommen.

Das Besondere bei diesem neuen Anleihetyp ist, dass die Höhe der Zinszahlung von der Stärke des Wirtschaftswachstums im Emissionsland abhängt. Dadurch fallen in einer Rezession relativ geringe oder gar keine Zinsen an, in der Hochkonjunktur steigen die Zinsen dagegen erheblich. Der Anleger partizipiert somit direkt an der Wirtschaftsentwicklung des Landes. Inzwischen interessieren sich auch internationale Organisationen wie beispielsweise der Internationale Währungsfonds für den neuen Anleihetyp, weil dadurch die Entwicklungsfinanzierung ganz generell verbessert werden könnte. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat untersucht, ob Wachstumsanleihen halten, was sie versprechen.

Eine Anbindung der Zahlungsströme von Staatsanleihen an das Wirtschaftswachstum kann auf verschiedene Weise erfolgen. Bei der einfachsten Variante hängen nur die jährlichen Zinszahlungen direkt von der Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zum Vorjahr ab. Ein Beispiel: Im Falle einer Stagnation (Nullwachstum) wird ein relativ niedriger Zins von beispielsweise 4 Prozent gezahlt. Bei positivem Wachstum steigt der Zins um jeden Prozentpunkt, um den das BIP wächst. Bei 3 Prozent Wachstum würde der Zins also 7 Prozent betragen, bei einer Rezession (-4 Prozent) würde dagegen die Zinszahlung vollständig entfallen. Negative Zinsen, also Nachschusszahlungen des Gläubigers, die bei einer sehr starken Rezession anfallen könnten, sind ausgeschlossen.

Bei der Kursbestimmung am Kapitalmarkt fließen die aktuellen Erwartungen an das BIP-Wachstum in den Anleihekurs ein. Die Anleger können daher nur dann von einem höheren BIP profitieren, wenn das tatsächliche Wachstum über dem erwarteten liegt. Wenn es dagegen geringer als erwartet ausfällt, hat der emittierende Staat einen Vorteil, da er relativ niedrige Zinsen zu zahlen hat.

Diese Reaktionsweise der Kurse zeigt, dass eine wesentliche Eigenschaft der Wachstumsanleihen die Verlagerung des BIP-Risikos vom Staat auf die Anleger ist. Die Anleger sollten daher für diese Risikoübernahme durch eine im Vergleich mit herkömmlichen Anleihen höhere durchschnittliche Verzinsung (Risikoprämie) belohnt werden. Diese ist ein Anreiz für Anleger, in diese Anleihen zu investieren. Für den emittierenden Staat bedeutet dies in "normalen" wirtschaftlichen Situationen eine zusätzliche Belastung des Budgets, allerdings bei geringerem Risiko bezüglich der zukünftigen BIP-Entwicklung.

Faktoren wie die Neuheit des Produkts und dass bislang keine Erfahrungen mit der Bewertung und dem Kursverhalten gemacht werden konnten dürften zu zusätzlichen Renditeaufschlägen führen, ebenso die schlechte Prognostizierbarkeit des zukünftigen BIP. Hinzu kommt, dass sich die Investoren zumindest zu Beginn nicht gegen das BIP-Risiko absichern können, da entsprechende Märkte nicht existieren. Außerdem dürfte die Marktliquidität wahrscheinlich sehr gering sein, sodass nicht mit einer jederzeitigen Handelbarkeit zu rechnen ist.

Wie die ZEW-Studie zeigt, haben Anleger dann einen Vorteil durch ihre Investition in Wachstumsanleihen, wenn das BIP nur gering oder negativ mit dem weltweiten BIP korreliert ist. Eine negative Korrelation liegt vor, wenn sich das BIP des Landes häufig gegenläufig zur Weltwirtschaft verhält. In diesem Fall kann der Anleger das BIP-Risiko seines Anleiheportfolios durch eine Investition in Wachstumsanleihen sogar vermindern. Entsprechend sollten hier die vom Markt geforderten Risikoaufschläge negativ sein.

Eine solche "Win-Win-Situation", bei der sowohl der Staat als auch die Anleger profitieren, ist zwar durchaus realistisch, beispielsweise für Länder wie Ägypten, Indien, Pakistan, Vietnam und Zimbabwe. Auch Argentinien ist ein potenzieller Kandidat, da die Korrelation von BIP und Weltwirtschaft recht niedrig ist. Die Emission von Wachstumsanleihen kann jedoch in keinem Fall als eine Art Patentrezept für die Rettung des argentinischen Staatshaushaltes bezeichnet werden. Es ist sogar vorstellbar, dass die Emission herkömmlicher Anleihen zu einem insgesamt kostengünstigeren Resultat führen könnte. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der vom Markt geforderte Renditezuschlag für die neuen Wachstumsanleihen unverhältnismäßig hoch sein sollte.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Michael Schröder, Telefon: 0621/1235-140, E-Mail: schroeder@zew.de