ZEW-Präsident Wolfgang Franz zur Steuerpolitik der Bundesregierung - Karl Valentin

Standpunkt

Hatte seinerzeit der Münchner Volkskomiker Karl Valentin (1882 bis 1948) Recht, als er resignierend konstatiert haben soll: "Früher war sogar die Zukunft besser"? Die Steuerbürger hierzulande werden dem angesichts der Perspektiven wohl beipflichten. Angesagt sind nämlich eine kräftige Erhöhung der Umsatz- und Versicherungssteuer, die Einführung eines Steuerzuschlags auf Höchsteinkommen sowie die Reduzierung einer Reihe von Steuervergünstigungen, wie etwa die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Entfernungskilometer, die Senkung des Sparerfreibetrags und die zeitliche Einschränkung des Bezugs von Kindergeld. Bevor aber der Volkszorn überkocht - "Seid ihr denn total besteuert?" -, sind einige differenzierende Überlegungen angebracht.

Eine Erhöhung der Umsatzsteuer lediglich zum Stopfen laufender Haushaltslöcher ist strikt abzulehnen. Hingegen ist ein Mittelbedarf, der zur Finanzierung gewichtiger Reformvorhaben im Bereich der Unternehmensbesteuerung und der Systeme der sozialen Sicherung erforderlich ist, realistischerweise nicht allein über Ausgabenkürzungen und den Abbau von Steuervergünstigungen aufzubringen, sondern teilweise auch über zusätzliche Umsatzsteuereinnahmen. In diesem Sinne hat sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem jüngsten Jahresgutachten geäußert: "Eine Anhebung des Normalsatzes der Umsatzsteuer zur Konsolidierungszwecken wird abgelehnt" - klarer geht es nun wirklich nicht. Anstatt nun das Konsolidierungstempo zu beschleunigen, sattelt die Bundesregierung mit Programmen zweifelhaften Wertes drauf, wie etwa ein Elterngeld selbst für Wohlhabende oder die Absetzbarkeit bestimmter Handwerkerrechnungen, eine Maßnahme, bei der die Mitnahmeeffekte umfangreich sein dürften. Dagegen mag die mit der Umsatzsteuererhöhung ermöglichte teilweise Umfinanzierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in die richtige Richtung gehen, weil die Personalzusatzkosten bei den Unternehmen sinken. Allerdings sollte man sich vor allzu euphorischen Einschätzungen über mögliche Arbeitsplatzgewinne hüten. Außerdem besteht die Gefahr, dass mit zunehmender Steuerfinanzierung anstelle von arbeitnehmer- und arbeitgeberseitigen Beiträgen die Spürbarkeit der diesbezüglichen Kosten und damit das Bedürfnis nach Kontrolle des Ausgabengebarens zurückgehen kann. Völlig abwegig ist dagegen die "Reichensteuer". Der Name sagt schon alles: Es ist ein Programm zur Beruhigung einschlägiger Zirkel, die seit dem Untergang des Sozialismus eigentlich überholt geglaubte Klassenkampfparolen hegen und pflegen. Da gewerbliche Einkünfte von dem Steuerzuschlag ausgenommen werden sollen, sind diesbezügliche Auseinandersetzungen mit Finanzämtern und vor Finanzgerichten vorprogrammiert. Hinzu kommen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Steuer. Man darf gespannt sein, ob der Bundespräsident das entsprechende Gesetz überhaupt unterschreibt. Anders verhält es sich schließlich mit dem Abbau von Steuervergünstigungen, sofern diese ungerechtfertigt sind. Hier hätte die Bundesregierung einen größeren Wurf wagen sollen, indem sie beispielsweise die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sukzessive abbaut. Dies erbringt im Endeffekt eine Einsparung von rund 1,8 Milliarden Euro. Der Lohnpolitik und nicht der Steuerpolitik kommt die Aufgabe zu, eine Differenzierung der Arbeitsentgelte nach Arbeitserschwernis vorzunehmen. Die Entfernungspauschale sollte letztlich ebenfalls gestrichen werden, denn sie bestraft Arbeitnehmer, die in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in der Stadt möglicherweise zu teureren Mieten wohnen, die sie indes steuerlich nicht geltend machen können. Der Sparerfreibetrag sollte ebenfalls gänzlich zur Disposition gestellt werden, denn es ist steuersystematisch nicht einzusehen, wieso eine spezielle Einkunftsart mit einem besonderen Freibetrag bevorzugt wird. Aber vielleicht trifft auf den Reformeifer einzelner Mitglieder der Bundesregierung ein anderes Zitat von Karl Valentin zu: "Mögen hätt' ich schon wollen, aber dürfen hab' ich mich nicht getraut."