ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "Riester-Treppe"

Standpunkt

Im Füllhorn sozialer Leistungen,welches die Bundesregierung derzeit ausschüttet, befindet sich unter anderem eine außerplanmäßige Erhöhung der gesetzlichen Altersrenten. Sie steigen ab Juli 2008 um 1,1 v.H. und damit - wie im Jahr 2009 - um rund 0,6 v.H. mehr, als es die Rentenanpassungsformel vorgesehen hätte. Dem westdeutschen "Eckrentner" - er hat 45 Jahre lang ohne Unterbrechung Beiträge auf ein erzieltes Durchschnittsentgelt entrichtet - beschert der Eingriff des Gesetzgebers monatlich rund 7,60 Euro zusätzlich, dem stehen Kosten von insgesamt rund 12 Milliarden Euro gegenüber.

Die Einschätzungen dieser Maßnahmen gehen weit auseinander. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bezeichnet sie als "Teil und Ausdruck verlässlicher, solider, alle Generationen gleichermaßen im Blick behaltender Alterssicherungspolitik", die Bundeskanzlerin räumt ein, dass damit nicht gerade ein "ordnungspolitisches Meisterstück" gelungen sei und der frühere Bundespräsident Roman Herzog warnt vor einer "Rentnerdemokratie", welche die jüngere Generation ausplündere. Noch keine der Rentenanpassungsformeln war in Stein gemeißelt, sondern sie waren immer schon Gegenstand vielfacher Korrekturen, nicht zuletzt um vor dem Hintergrund der zu erwartenden demographischen Entwicklung Beitragsstabilität, Teilhabe der Altersrentner an der wirtschaftlichen Entwicklung und die Begrenzung von Bundeszuschüssen zur Gesetzlichen Rentenversicherung einigermaßen in Einklang zu bringen. Dazu beschloss der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren nach langem Hin und Her mehrere Korrekturfaktoren bei den allfälligen Rentenanpassungen, darunter die "Riester-Treppe". Sie soll den Anstieg der Beitragssätze dämpfen und die Belastung der Erwerbstätigen auf Grund ihrer höheren (staatlich geförderten) Altersvorsorge ("Riester-Rente") auf die Entwicklung der gesetzlichen Altersrenten übertragen. Dazu werden seit dem Jahr 2002 von den in die Rentenanpassungsformel eingehenden Bruttoarbeitsentgelten neben den Beiträgen zur Gesetzlichen Rentenversicherung fiktive Beiträge zur Riester-Rente abgezogen und zwar in Jahresschritten um jeweils 0,5 v.H. anwachsend bis zu einem Wert von 4,0 v.H. (daher "Riester-Treppe"). Dieser den Anstieg der Altersrenten dämpfende Mechanismus wird nun für die Jahre 2008 und 2009 außer Kraft gesetzt und soll in den Jahren 2012 und 2013 aufgeholt werden. Die Riester-Treppe hat nichts mit Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung oder Erwerbstätigen zu tun. Dazu wurde im Jahr 2005 der "Nachhaltigkeitsfaktor" in die Rentenanpassungsformel eingefügt, der Veränderungen im Verhältnis der Anzahl der Rentner zu der der Beitragszahler erfasst. Der Nachhaltigkeitsfaktor darf nicht mit dem "Nachholfaktor" ("modifizierte Schutzklausel") verwechselt werden. Eigentlich hätten in den Jahren 2005 und 2006 als Folge einer kombinierten Wirkung eines steigenden Rentenversicherungsbeitragssatzes und Altersvorsorgeanteils sowie des Nachhaltigkeitsfaktors Rentenkürzungen vorgenommen werden müssen, die jedoch eine gesetzliche Schutzklausel verhindert. Sie sollen ab dem Jahr 2011 nachgeholt werden. Der Hauptvorwurf gegen die beschlossene außerplanmäßige Rentenerhöhung besteht darin, dass die derzeitige Bundesregierung der nächsten die Hypothek aufbürdet, die dann notwendigen schmerzlichen Anpassungen bei den Rentensteigerungen vornehmen zu müssen. Welche Bundesregierung diesen Mut und das entsprechende Durchhaltevermögen aufbringen soll, bleibt unklar. Schon jetzt ist rund ein Drittel aller Wähler älter als 60 Jahre, mit steigender Tendenz. Mit der Ankündigung von (harten) Einschnitten bei den Rentenerhöhungen werden die Parteien daher schwerlich Wahlen gewinnen. Die Gefahr ist groß, dass dann die Beiträge im Jahr 2020 die beabsichtigte Marke von 20 v.H. überschritten haben werden, ohnehin sind sie nun in den Jahren 2011 und 2012 um 0,6 beziehungsweise 0,4 Prozentpunkte höher als bisher vorgesehen. So verspielt man Erfolge auf dem Arbeitsmarkt, vor allem, wenn die "Rente mit 67" ebenfalls verwässert und das Altersteilzeitgesetz wiederbelebt werden.