ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "Mindestlöhne"

Standpunkt

Der Kampf gegen die Ausweitung des Mindestlohns in Deutschland ist verloren. Für Briefzusteller gilt er seit Jahresbeginn, und zahlreiche weitere Branchen wollen und sollen ihn erhalten, sei es über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz bei hinreichender Tarifbindung, sei es andernfalls über eine Novellierung des Gesetzes über die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen. Die Bundesregierung begeht damit einen wirtschaftspolitischen Fehler.

Wie es weitergeht, ist unschwer abzuschätzen. Die mit den Mindestlöhnen einhergehenden Arbeitsplatzverluste werden wahlweise unsolidarischen Unternehmen, die ihre Schwierigkeiten skrupellos auf dem Rücken der Beschäftigten austrügen, oder gleich einem vermeintlich unfähigen marktwirtschaftlichen System zugeschrieben. Die eigentlich Verantwortlichen jedenfalls werden ihre Hände in Unschuld waschen und ein teures, aber unwirksames arbeitsmarktpolitisches Programm nach dem anderen einfordern. Deshalb ist es wichtig, nochmals die Argumente pro Mindestlohn zu widerlegen. Bemäntelt werden Mindestlöhne meist sozialpolitisch, nämlich dass man von einem Stundenlohn von drei Euro nicht leben könne. Dieses Argument ist wissentlich irreführend. Niemand braucht von solchen Stundenlöhnen zu leben, weil es hierzulande eine Mindesteinkommenssicherung gibt, und zwar in Form des aufstockenden Arbeitslosengelds II. Tatsächlich geht es beim Mindestlohn häufig um etwas ganz anderes, nämlich um die Abwehr unliebsamer, weil lästiger Konkurrenz, wie es beim Mindestlohn für Briefzusteller sehr deutlich geworden ist. Die Arbeitsplätze bei der Deutschen Post AG werden geschützt, die der Konkurrenten verdrängt oder vernichtet. Ohnehin im Vergleich zu ihren Konkurrenten durch Umsatzsteuerprivilegien begünstigt, lebt somit das beendete Briefmonopol der Deutschen Post AG durch die Hintertür faktisch wieder auf. Den Preis zahlen die Postkunden, denn das Briefporto könnte merklich niedriger sein, gäbe es auf diesem Markt einen funktionstüchtigen Wettbewerb. Das Gegenbeispiel Deutsche Telekom AG liegt auf der Hand. Sie hat sich unter schmerzhaften Anpassungsprozessen dem Wettbewerb stellen müssen, und die Telefontarife belaufen sich heutzutage auf einen Bruchteil dessen, was bei dem früheren Monopolisten zu entrichten war. Beschwichtigend werfen die Befürworter eines Mindestlohns ein, in anderen Ländern gebe es ebenfalls einen Mindestlohn, gleichwohl sei dort die Beschäftigungssituation erfreulich. Diese Beobachtung beweist überhaupt nichts. Wäre die Beschäftigung dort ohne Mindestlohn nicht vielleicht noch höher? Schlimmer noch, Frankreich stellt ein empirisch belegtes, prominentes Gegenbeispiel dar. Als seinerzeit der dortige Mindestlohn (SMIC) erhöht wurde, stieg die Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Jugendlicher markant an. Die gewalttätigen Unruhen arbeitsloser französischer Jugendlicher sind bekannt. Schließlich wird vorgetragen, ohne Mindestlohn würden die Unternehmen flächendeckend Lohndrückerei auf Kosten des Sozialstaats betreiben und deshalb sei ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von lediglich 4,50 Euro als das kleinere Übel zielführend. Das Argument ist wenigstens diskussionswürdig, hält einer kritischen Prüfung indes ebenso wenig stand. Glaubt jemand im Ernst, es bliebe bei 4,50 Euro? Spätestens im nächsten Wahlkampf würde er eines Besseren belehrt. Was die behauptete scharenweise Ausbeutungsstrategie anbelangt, so müssten sich die Unternehmen angesichts der damit verbundenen Gewinne geradezu um die (gering qualifizierten) Arbeitnehmer reißen, mit der Folge steigender Löhne. Im Einzelfall mag es eine solche Lohndrückerei durchaus geben. Aber darauf mit der Keule Mindestlohn einzuschlagen, führt zu ganz erheblichen Kollateralschäden. Ganz abgesehen davon, dass schwarze Schafe unter den Unternehmen andere Mittel und Wege der Bereicherung auf Kosten der Sozialkassen finden.