Rückgang der Forschungsproduktivität schadet dem Wirtschaftswachstum

Forschung

Studie zu F&E in China und Deutschland

Im aktuellen ZEW policy brief wird der Zusammenhang von Investitionen in F&E und Forschungsproduktivität in China und Deutschland verglichen.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) sind sowohl in Deutschland als auch in China in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das Wachstum in beiden Ländern hat davon allerdings weniger profitiert als erwartet. „Dies deutet auf eine zu geringe Forschungsproduktivität in beiden Volkswirtschaften hin“, erklärt Dr. Philipp Böing, Senior Researcher und China-Experte am ZEW Mannheim. In einem heute veröffentlichten ZEW policy brief haben er und Paul Hünermund, PhD, Assistenzprofessor an der Copenhagen Business School, analysiert, wie Investitionen in F&E mit der Forschungsproduktivität in Deutschland und China zusammenhängen. Ihre Schlussfolgerung, um anhaltende Wachstumsraten in Europa zu erzielen:  „Erforderlich ist eine Innovationspolitik, die einen Bottom-up-Ansatz verfolgt, und nicht zu stark auf missionsgetriebene Forschungspolitik setzt. Nur auf diesem Weg lassen sich im Wettbewerb mit den führenden Industriestaaten dieser Welt bahnbrechende Innovationen erzielen. Die stark missionsgetriebene Innovationspolitik Chinas kann hier kein Vorbild sein.“

Die Forschungsproduktivität eines Landes beschreibt die Effizienz, mit der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen (F&E) über innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen in Outputwachstum umgewandelt werden. Forschungsarbeiten für die USA haben bestätigt, dass ein Rückgang der Forschungsproduktivität an der vordersten Front der globalen technologischen Entwicklung der wesentliche Grund für verlangsamtes Wachstum ist.

Um zu sehen, wie stark das Phänomen sinkender Forschungsproduktivität auch in Deutschland und China ausgeprägt ist, vergleichen die Wissenschaftler auf Grundlage deutscher und chinesischer Unternehmensdaten der letzten drei Jahrzehnte das Wachstum der Unternehmen mit den Investitionen in F&E. „Wenn die Forschungsproduktivität konstant bleibt, sollten sich das Firmenwachstum und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ungefähr proportional entwickeln“, erklärt Hünermund. „Die Ergebnisse unserer Forschung für Deutschland und China zeigen allerdings, dass dem nicht so ist.“ In Deutschland fiel die Forschungsproduktivität um durchschnittlich 5,2 Prozent pro Jahr in den vergangenen 30 Jahren, während die Ausgaben für F&E im gleichen Zeitraum um jährlich etwa 3,3 Prozent erhöht wurden.

Rapider Rückgang der Forschungsproduktivität in China

Für China zeigt sich eine noch deutlichere Diskrepanz. Investitionen in die Forschung stiegen hier seit 2001 um 21,9 Prozent, gleichzeitig verzeichnete die chinesische Volkswirtschaft einen Rückgang der Forschungsproduktivität um 23,8 Prozent. „Verglichen mit Hocheinkommensländern wie den Vereinigten Staaten und Deutschland war der Rückgang der Forschungsproduktivität in China in den letzten zwei Jahrzehnten also nochmals größer“, sagt Böing. „Wegen der deutlich dynamischeren wirtschaftlichen Entwicklung Chinas warnen wir allerdings davor, die Wachstumsraten einfach in die Zukunft zu extrapolieren.“ Er streicht aber heraus, dass China weiteres Wachstum benötigt und die chinesische Politik sich bereit zeigt, das Wachstum zu forcieren. Hierbei sei es allerdings wichtig, dass vor allem Anreize für größere Forschungsaktivitäten geschaffen würden und missionsgetriebene Innovationspolitik seitens der chinesischen Regierung vermieden werde. Andernfalls bestehe für die chinesische Wirtschaft die Gefahr eines weiteren schnellen Rückgangs der Forschungsproduktivität.
 
Mit Blick auf die Europäische Union legen die Untersuchungsergebnisse nahe, dass die mehr und mehr missionsgetriebene, teils wenig ambitionierte Forschungspolitik kritisch zu betrachten ist. Die Studie zeigt, dass F&E auf EU-Ebene erneut Priorität bekommen muss. „Zur Bekämpfung der Wachstumsverlangsamung und des Rückgangs der Forschungsproduktivität muss die EU ihre politischen Initiativen weiter internationalisieren, mehr in die Bildung investieren und ausreichende F&E-Unterstützung über den Konjunkturzyklus hinweg sicherstellen“, betont Hünermund. „Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der technologische Fortschritt und die globale Wettbewerbsfähigkeit in nicht allzu ferner Zukunft abnehmen werden.“