ZEW-Studie zu 50 Jahren Arbeitsmarktintegration in Deutschland

Seit mehr als 50 Jahren sind Migrantinnen und Migranten aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland nicht mehr wegzudenken.

Seit der ersten Gastarbeiter-Anwerbung vor knapp 70 Jahren entwickelte sich Deutschland nach den USA zum weltweit zweitwichtigsten Einwanderungsland. Trotzdem tun sich Politik und Gesellschaft bis heute mit dieser Rolle schwer. Dabei ist eine vorausschauende Integrations- und Einwanderungspolitik wichtiger denn je, da die Arbeitsmarktperspektiven von neu angekommenen Migrantenkohorten in den letzten zwei Jahrzehnten stagnierten. Gerade ukrainische Geflüchtete bieten ein hohes Arbeitsmarktpotenzial, das noch besser genutzt werden kann. Dies zeigt eine Studie des ZEW Mannheim, die auf Mikrozensus-Daten basiert.

„Wir können in diesen Daten die Integrationsverläufe zahlreicher Migrantengruppen miteinander vergleichen, von den sogenannten Gastarbeitern, über Personen, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aus Osteuropa kamen, bis hin zu Geflüchteten und EU-Bürger/innen aus alten und neuen Mitgliedsstaaten“, wie Paul Berbée, ZEW-Ökonom im Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ und Ko-Autor, erläutert.

„Die im Jahr 2022 geflüchteten Ukrainer/innen haben aufgrund ihrer guten Bildung deutlich bessere Arbeitsmarktperspektiven als frühere Flüchtlingsgruppen, die etwa während der Jugoslawienkriege oder um das Jahr 2015 nach Deutschland kamen“, fährt Paul Berbée fort: „Um dieses Potenzial auch wirklich zu nutzen, sind jedoch Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuungsangebote und flexible Arbeitsplätze besonders wichtig, da es sich zu einem großen Teil um Frauen mit Kindern handelt.“

Zugwanderte leisten unverzichtbare Beiträge

„Deutschland ist dringend auf Zuwanderung angewiesen“, erläutert Paul Berbée: „Seit mehr als 50 Jahren sind Migrantinnen und Migranten aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Die meisten Zugewanderten sind auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich und leisten unverzichtbare Beiträge für Deutschland. Unsere Studie zeigt aber auch, dass die Integration in den Arbeitsmarkt ein langwieriger Prozess ist, der seit den 1970er Jahren tendenziell noch schwieriger geworden ist. Umso wichtiger ist es, eine vorausschauende, langfristig angelegte Einwanderungs- und Sozialpolitik zu stärken, die den jeweiligen Herausforderungen unterschiedlicher Gruppen von Zugewanderten Rechnung trägt.“

Wirtschaftliche Umbrüche treffen Zugwanderte stärker

„Die Erfahrungen der Gastarbeiter-Kohorten zeigen, dass Zugewanderte auch nach vielen Jahren im Gastland noch besonders stark von wirtschaftlichen Umbrüchen und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Im Durchschnitt finden Migrantinnen sowie Migranten seltener Arbeit und verdienen weniger als Einheimische; auch ihre Kinder können das nicht vollständig aufholen“, erklärt Paul Berbée die Entwicklung seit den 1960er Jahren, betont aber auch deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Migrantengruppen: „Während EU-Bürger/innen häufig Arbeit finden und zum Teil besser verdienen als Einheimische, tun sich diejenigen aus außereuropäischen Ländern mit hohem Flüchtlingsanteil besonders schwer. Selbst Kinder von Zugewanderten, die das deutsche Bildungssystem durchlaufen haben, sind weiterhin benachteiligt.“

Hürden abbauen

Er appelliert deshalb an die Politik: „Hier ist die Politik gefragt, die Integration durch entsprechende Maßnahmen zu fördern und Potenziale besser zu nutzen. Einerseits muss unser Bildungssystem den Kindern von Zugewanderten gleichwertige Chancen bieten, damit sich Nachteile auf dem Arbeitsmarkt nicht über die Generationen verstetigen. Andererseits sollten Menschen mit ausländischen Bildungsabschlüssen deutlich einfacher Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein wichtiger Schritt dahin.“