Schaffen wir die Energiewende? Lob zum Stand bei den erneuerbaren Energien - Kritik beim Thema Versorgungssicherheit

Nachgefragt

Mitte Dezember 2012 veröffentlichte die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" ihre erste Stellungnahme zum Sachstandsbericht zur Energiewende der Bundesregierung. Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission und Forschungsbereichsleiter am ZEW, erläutert die Befunde.

Prof. Dr. Andreas Löschel leitet den Forschungsbereich Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement am ZEW. Ferner ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg und Vorsitzender der Expertenkommission, die im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig den Sachstand bei der Energiewende beurteil. Löschel fungiert als Leitautor für den 5. Sachstandsbericht (2010-2014) des Weltklimarates (IPCC). Seine Forschungsinteressen liegen in der internationalen Umweltökonomie, insbesondere der Energiepolitik.

Wie fällt die Bewertung des Monitoring-Berichtes aus?

Die Umsetzung des Monitoring-Prozesses in Form des ersten Monitoring-Berichtes durch die Bundesregierung sowie der erstellten Indikatorik sind grundsätzlich zu begrüßen. So werden zentrale Aspekte der Energiewende sowie die Zielerreichung etwa im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Reduzierung der Treibhausgasemissionen gut dargestellt. Was wir allerdings vermissen, sind Bewertungen der einzelnen Entwicklungen und der Energiewende als Gesamtkomplex. Darüber hinaus geben wir eine wissenschaftliche Einordnung des Berichtes sowie Anregungen zur Verbesserung des Prozesses. Wir halten es beispielsweise für sinnvoll, eine geringere Anzahl von Indikatoren als Leitindikatoren zu nutzen, um die Entwicklungen kompakt darzustellen. Diese fußen dann auf einem breiteren, ebenfalls öffentlich zugänglichen Indikatorensystem mit weitergehenden Kennzahlen. Zur Reduktion von Komplexität und der Ableitung von Politikempfehlungen sind möglichst aggregierte Leitindikatoren zu verwenden. Der derzeitige Monitoring-Bericht enthält knapp 50 Indikatoren, die ohne eine passende Einordnung schwer zu interpretieren sind.

Die Expertenkommission schlägt vor, die Ziele der Energiewende zunächst einzuordnen. Wie sollte diese Einordnung aussehen?

Wir sehen die Energiewende durch zwei Oberziele geprägt: die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und den Ausstieg aus der Kernenergie. An den Oberzielen sollte nicht gerüttelt werden. Deutschland hat nun einen spezifischen Weg gewählt, um diese Ziele zu erreichen. Dieser Weg wird durch weitere, flexible Unterziele etwa in den Bereichen Energieeffizienz oder den erneuerbaren Energien flankiert. Das energiepolitische Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit gilt als zentraler Bewertungsmaßstab dieser Unterziele. Erweist sich das Erreichen eines Unterziels als ökonomisch, ökologisch oder sozial schwierig, so ist das Zieltableau anzupassen.

Wie bewertet die Expertenkommission die Entwicklungen bei den erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz im Berichtsjahr 2011?

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien verläuft bislang in allen Sparten erfolgreich. So haben die Erneuerbaren im Strombereich eine hohe Ausbaudynamik, die allerdings mit entsprechenden Kostenzuwächsen vor allem durch die Photovoltaik und Offshore-Windenergie verbunden ist. Hier muss künftig die Systemintegration und ein Abgleich mit den Entwicklungen bei den Netzen und langfristig auch den Speichern verstärkt werden. Im Verkehrs- und Wärmebereich sind die Dynamiken deutlich geringer und die Entwicklungen sind deshalb weitergehend zu überprüfen. Bei der Energieeffizienz sehen wir drei Baustellen: Die Erreichung des Ziels zur Reduzierung des Stromverbrauchs, die Entwicklungen im Raumwärmebereich sowie im Verkehrsbereich. Insgesamt geht es aber weniger darum, neue Maßnahmen und Instrumente zu suchen, sondern vorhandene Maßnahmen zieladäquat auszugestalten.

Die Auswirkungen der Energiewende sind bereits spürbar geworden, etwa durch die Diskussion über Versorgungsengpässe im Winter 2011/2012 sowie der Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur. Wie steht es nun mit der Versorgungssicherheit?

Die Expertenkommission schätzt die Situation der Versorgungssicherheit eher kritisch ein. So sind zwar bis zum Jahr 2015 noch positive Entwicklungen bei den Kraftwerkskapazitäten zu erkennen, allerdings muss die Leistungsbilanz darüber hinaus im Auge behalten werden. Vor allem in Süddeutschland sind zukünftig Versorgungsengpässe zu erwarten. Als Ausgleich könnten hier abschaltbare Lasten, Speicher sowie der Ausbau der Netze wirken. Im Bereich des beschleunigten Ausbaus der Übertragungsnetze gibt es allerdings Verzögerungen, die eine belastbare Beurteilung erschweren. Zu begrüßen sind hier die Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen des Netzentwicklungsplanes. Aber auch die Versorgungsinfrastruktur von Erdgas muss im Blickfeld liegen, hier traten im vergangenen Winter ebenfalls Probleme in Süddeutschland auf.

Welche Belastungen der Energiewende ergeben sich nach Ihrem Dafürhalten für die Endverbraucher?

Im Bereich der Wirtschaftlichkeit steht eine effiziente Bereitstellung von Energi im Vordergrund. Diese ist im heutigen Energiesystem Deutschlands, aber auch bei den künftig angedachten Maßnahmen häufig nicht zu erkennen. Die Instrumente der Energiewende müssen effizient und effektiv ausgestaltet sein. Konkrete Belastungen durch die Energieversorgung können anhand einer aggregierten Sichtweise der Ausgaben analysiert werden. Einzelne Bestandteile lenken vom großen Ganzen der Energiewende ab. So zeigen unsere Berechnungen anhand der Ausgaben der Letztverbraucher für Elektrizität, dass die Belastungen bei einem Anteil von 2,5 Prozent am nominalen Bruttoinlandsprodukt etwa auf dem Niveau wie im Jahr 1991 liegen. Allerdings haben sich die Ausgaben in den letzten Jahren nominal verdoppelt und zukünftig ist in vielen Bereichen mit Steigerungen zu rechnen. Aber die Energiewende ist mehr als nur eine Stromwende, So ebenfalls die Belastungen durch die Preissteigerungen der fossilen Energieträger wie Öl und Gas in den Blick zu nehmen. Vor diesem Hintergrund müssen im Wärme- und Verkehrsbereich zukunftsfähige Entwicklungen angestoßen und umgesetzt werden.