Es besteht ein großer Bedarf an individueller Rententransparenz

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonomin Tabea Bucher-Koenen

Dr. Tabea Bucher-Koenen, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement", untersucht die Wirkung von Renteninformationsplattformen.

Den meisten Menschen dürfte es wohl schwerfallen, genau zu beziffern, wie hoch ihr Einkommen aus gesetzlicher Rentenver­sicherung, betrieblicher Altersversorgung und der privaten Vor­sorge beim Eintritt in den Ruhestand sein wird.

Dr. Tabea Bucher-­Koenen, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Internationale ­Finanzmärkte und Finanzmanagement“, hat die Wirkung einer elektronischen säulenübergreifenden Renteninformationsplattform auf das Vorsorgeverhalten wissenschaftlich untersucht.

Haben wir ein realistisches Bild von unseren künftigen Rentenansprüchen?

Vielen Menschen fällt es schwer einen Überblick über ihre künftigen Renteneinkommen zu erhalten. Unsere Analysen zeigen, dass es über alle Einkommensklassen hinweg große Unsicherheit darüber gibt, wie hoch das Renteneinkommen in Zukunft sein wird. Im Durchschnitt überschätzen die Teilnehmer/innen unserer Studie eher ihr Renteneinkommen, und sie ­äußern Angst vor Altersarmut, obwohl sie vergleichsweise hohe tatsächliche Rentenansprüche haben. Dies deutet darauf hin, dass es Menschen schwerfällt abzuschätzen, wie viel Geld im Alter zur Ver­fügung steht und wie man damit zurechtkommen wird.

Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern/-innen haben Sie in einer Pilotstudie ein App-basiertes Renteninformationssystem, ein sogenanntes elektronisches Rentencockpit, ent­wickelt. Inwiefern soll oder kann es für mehr Transparenz bei der Rente sorgen?

Die App gibt einen leichtverständlichen Überblick über die erwarteten Renteneinkommen aus allen Formen der Altersvorsorge, das heißt aus gesetzlichen, betrieblichen und privaten Renten. Die Angaben sind individuell auf die Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten und unterteilt nach garantierten Renten und möglichen Zusatzleistungen. Alle Angaben beziehen sich auf monatliche Zahlungen zum gesetzlichen Renteneintritt mit 67 Jahren. Außerdem werden die Leistungen brutto und netto ausgewiesen. Durch diese leichtverständliche Darstellung der gesammelten Rentenansprüche auf einer Seite soll das Verständnis für die eigene Rentensituation verbessert werden. Das ist mit der Erwartung verbunden, dass die Menschen mit besseren Informationen auch besser für ihr Alter vorsorgen, eben weil sie Versorgungslücken oder Überversorgung klar erkennen und ihr Sparverhalten anpassen können.

Über 1.000 Personen haben das elektronische Rentencockpit getestet. Was sind ihre wichtigsten Erkenntnisse?

Unsere Studie ist die erste groß angelegte wissenschaftliche Studie zur Machbarkeit und zum Nutzen einer säulenübergreifenden Renteninformationsplattform in Deutschland, unter realen Bedingungen. Die wichtigsten Ergebnisse sind, dass so ein elektronisches Rentencockpit auch in Deutschland technisch machbar ist und dass es beträchtlichen individuellen Zusatznutzen für die Bürger/innen stiften würde. Selbst die einmalige Schaffung von Rententransparenz war für mehr als die Hälfte der Teilnehmer und Teilnehmerinnen Anlass genug, ihren Rentenplan zu überdenken und ihr Vorsorgeverhalten zu ändern.

Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Personen, die keinen Zugang zum Rentencockpit erhalten haben, fühlen sich die Studienteilnehmer/innen mit Cockpitzugang nach der Studie deutlich besser über ihre Rente informiert und sparen mehr. Das gilt insbesondere für Personen, die vor der Studienteilnahme geringeres Finanzwissen und eine höhere Unsicherheit über ihr Renteneinkommen gezeigt haben. Das heißt besonders für Personen, die Schwierigkeiten bei der Altersvorsorgeplanung haben, scheint das Cockpit ein hilfreiches Instrument zu sein.  Die außerordentlich hohe Bereitschaft zur Teilnahme und die Antworten in den Online-Befragungen sind zudem Beleg für den großen Bedarf an individueller Rententransparenz in Deutschland.

Wie geht es nun weiter? Werden wir dank der flächendeckenden Nutzung solcher Rentencockpits in Zukunft genauer wissen, wieviel Rente wir bekommen werden?

Ja, das ist das Ziel. Bis es soweit ist, muss aber noch ganz Pragmatisches geklärt werden, etwa zu technischen Details des Portals oder zur Verbesserung der Bedienung. Zu diesem Zweck wurde von der Deutsche Renten Information e.V. im vergangenen Jahr ein neues Projekt mit namhaften Partnern aus Wissenschaft und Finanzindustrie gestartet. Bis Ende 2019 soll ein Pro­totyp entwickelt und getestet sein, der den Nutzern und Nutzerinnen erstmals Rententransparenz auf Knopfdruck bietet.

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