EU-Corona-Plan könnte Einstieg in die dauerhafte Schuldenfinanzierung des EU-Haushalts bringen

Forschung

ZEW-Studie zur Finanzierung der EU-Corona-Schulden

Laut neusten Ergebnissen der ZEW-Studie zur Finanzierung der EU-Corona-Schulden ist eine Nachbesserung des aktuellen Plans empfohlen.

Die EU sichert sich durch den neuen Eigenmittelbeschluss bis zum Jahr 2058 einen Anspruch auf Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten, den sie zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbauplans nicht einmal annähernd benötigt. Eine neue ZEW-Studie quantifiziert diese Überdeckung auf mindestens das Zehnfache dessen, was zur Schuldentilgung für den Corona-Wiederaufbauplan mit seinen 750 Milliarden Euro eigentlich nötig wäre.

„Das Missverhältnis zwischen der bis 2058 stark erhöhten Eigenmittelgrenze und dem Corona-Paket wirft problematische Fragen auf. Politisch ist dies ein Signal, dass Europa sich heute bereits mit Blick auf die Pandemie zusätzliche Verschuldungsmöglichkeiten im Umfang von mehreren Billionen Euro auch für andere Zwecke verschafft. Für den deutschen Bundeshaushalt ergeben sich aus dieser Überdeckung erhebliche Haftungsrisiken“, so die Bewertung von Autor Prof. Dr. Friedrich Heinemann, der die Studie heute in der Expertenanhörung des Europaausschusses des Deutsche Bundestages vorstellt.

Ausgangspunkt der Berechnungen ist die geplante Finanzierung des Corona-Wiederaufbauplans in Höhe von 750 Milliarden Euro über die Ausgabe von EU-Anleihen. Die ZEW-Studie zeigt, dass bis 2026 sogar mehr als 820 Milliarden Euro an Corona-Schulden aufgenommen werden, weil die Beträge jährlich mit einer konstanten Rate von zwei Prozent angehoben werden. Um die Schulden des EU-Corona-Plans zu finanzieren, soll die EU zusätzlich zu ihren bisherigen Einnahmen bis zum Jahr 2058 Beiträge ihrer Mitgliedstaaten von bis zu 0,6 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung anfordern können. Diese zusätzliche Marge dient als Sicherheit für die Tilgung der Corona-Schulden. Die ZEW-Studie berechnet, welche Tilgungsfähigkeit sich aus dieser Zusatzmarge ergeben. Das Ergebnis hängt vom erwarteten Wirtschaftswachstum ab. Sogar in einem sehr pessimistischen Szenario, in dem die EU bis zum Jahr 2058 keinerlei reales Wachstum mehr erlebt, könnte sie mit Hilfe dieser Marge mehr als vier Billionen Euro an EU-Schulden tilgen. Tatsächlich benötigt sie für den Corona-Wiederaufbauplan aber nur 430 Milliarden Euro, weil die verbleibenden Mittel als Kredit vergeben werden und von den begünstigten Mitgliedstaaten selber zu tilgen sind.

Selbst wenn weitere sehr ungünstige Annahmen eintreffen würden, dass es etwa nach dem Brexit zu weiteren EU-Austritten kommt oder Corona-Kredite von einigen Mitgliedstaaten nicht vertragsgemäß bedient werden, besteht immer noch ein hohes Missverhältnis. Bereits die deutschen Beiträge alleine würden bis 2058 ausreichen, um sämtliche Corona-Schulden zu tilgen.

„Keine Obergrenze der deutschen Haftung“

„Die neuen EU-Anleihen sind in ihrem Risikoprofil den lange Zeit von Deutschland abgelehnten Eurobonds sehr ähnlich. In dem Maße, in dem Mitgliedstaaten zukünftig ihre Corona-Schulden nicht bezahlen können oder wollen, können Deutschland und die verbleibenden zahlungsfähigen Mitgliedstaaten herangezogen werden. Faktisch gibt es aufgrund des sehr hohen erlaubten Zugriffs des EU-Haushalts auf Beiträge der Mitgliedstaaten keine Obergrenze der deutschen Haftung. Damit ist der Corona-Fonds für Deutschland viel riskanter als der Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, bei dem Deutschlands Haftung strikt auf einen bestimmten Anteil begrenzt ist“, so die Erläuterung von Friedrich Heinemann.

Bundestag sollte auf Nachbesserung des Eigenmittelbeschlusses drängen

Die Studie verweist zudem auf eine weitere Konsequenz der Überdeckung. Weil bis 2058 hohe zusätzliche Tilgungsmöglichkeiten bestehen, besteht ein großer Anreiz, die Tilgung auf die lange Bank zu schieben und neue Eigenmittel lieber erst jahrzehntelang für laufende Ausgaben zu nutzen.

„Der Bundestag sollte auf eine Nachbesserung des Eigenmittelbeschlusses drängen. Das Mindeste wäre, dass er die Regierung auf eine Vertragsnotiz verpflichtet, in der es von Beginn an eine Mindesttilgung pro Jahr der Corona-Schulden geben muss. Wenn das Parlament jetzt nicht nachbessert, dürfte der Corona-Plan den Einstieg in die permanente Schuldenfinanzierung des EU-Haushalts bringen“, so Heinemanns Einschätzung.

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