Corona-Pandemie gefährdet Existenz vieler Unternehmen

Forschung

Die kleinen Unternehmen (unter 50 Beschäftigten) zeigen eine höhere Gefährdung der Insolvenz durch die Corona-Pandemie auf.

Zu Beginn der Corona-Pandemie, die derzeit über die deutsche Wirtschaft hereinbricht, haben viele kleine Unternehmen denkbar ungünstige Ausgangsbedingungen. Sie starten schon mit einer schwachen Bonitätsbewertung in die Krise. Die Gastronomie, KFZ-Zulieferer, die chemische Industrie und das Baugewerbe sind die Branchen mit den höchsten Anteilen an kleinen Unternehmen mit schwacher Bonität. Das zeigen neueste Berechnungen des ZEW Mannheim und der Creditreform Wirtschaftsforschung aus Neuss. Grundlage der Untersuchung ist das Mannheimer Unternehmenspanel, das auf den Datenbanken von Creditreform basiert.

Die Bundesregierung hat großes Besteck ausgepackt: Kredite in unbegrenzter Höhe für Unternehmen, die durch die Krise in Liquiditätsengpässe geraten, eine deutliche Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und die Ankündigung von erleichterten, umfangreichen Steuerstundungen. Außerdem soll die Insolvenzantragspflicht mindestens bis zum Herbst ausgesetzt werden. Vorstellbar ist aber auch eine Verlängerung bis zum 31. März 2021. Alles Maßnahmen, die durch die Unterbrechung globaler Warenketten, durch das rapide Wegbrechen der Nachfrage und durch fehlende Arbeitskräfte wegen Erkrankung und Kinderbetreuung notwendig geworden sind. Sie zielen darauf ab, Unternehmen vor der Insolvenz zu retten, die in existenzbedrohende Liquiditätsprobleme geraten sind.

„Die Entschlossenheit der Bundesregierung scheint dringend nötig zu sein“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Pressesprecher und Leiter der Wirtschaftsforschung von Creditreform. „Viele Unternehmen starten trotz einer langen Phase der Hochkonjunktur mit schlechten Voraussetzungen in die vielleicht größte wirtschaftliche Krise der Nachkriegsgeschichte.“ Hantzsch weiter: „Mehr als zehn Prozent der Unternehmen der Privatwirtschaft, die älter als drei Jahre und damit den Kinderschuhen entwachsen sind, haben eine schwache oder noch schlechtere Bonitätsbewertung. Es geht hier um etwa 345.000 Unternehmen mit mehr als 1,5 Millionen Beschäftigten.“

Einige Branchen weisen überdurchschnittlich hohe Anteile an insolvenzgefährdeten Unternehmen auf. Besonders die Gastronomie sticht hier heraus: 16 Prozent der kleinen Gastronomieunternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten (fast 24.000 Unternehmen) weisen eine schwache Bonitätsbewertung auf. Ebenfalls überdurchschnittlich hohe Anteile an kleinen Unternehmen mit schwacher Bonität finden sich bei den Automobilzulieferern (15 Prozent) und in der chemisch/pharmazeutischen Industrie (14 Prozent).

Erhalt der Unternehmensstrukturen über begrenzte Durststrecke

Die Abbildung zeigt, dass die Zahl der insolvenzgefährdeten Unternehmen mit über 50 Beschäftigten geringer ist.

Bei den größeren Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier sind die Anteile der insolvenzgefährdeten Unternehmen deutlich geringer. An der Spitze findet sich aber auch hier die Gastronomie, gefolgt vom Beherbergungsgewerbe und den Sport- und Freizeitdienstleistungen. In den beiden letztgenannten Branchen stand ein jeweils erklecklicher Anteil der großen Hotels und Freizeitunternehmen schon vor der Krise am Rande der Insolvenz.

„Diese Ergebnisse spiegeln die Strukturprobleme der privaten Wirtschaft in Deutschland vor der Corona-Krise wider“, erläutert Dr. Georg Licht, Forschungsbereichsleiter am ZEW, „sie zeigen die Verhältnisse zu Beginn der Krise. Die Branchen werden aber in ganz unterschiedlicher Weise durch einen monatelangen Stillstand des Wirtschaftslebens betroffen sein“. Größere Anschaffungen, vielleicht auch Urlaubsreisen, werden zum Teil nachgeholt werden. Dienstreisen, Kino- und Konzertbesuche aller Voraussicht nach dagegen nicht. Gerade die Freizeit-, Sport- und Kulturdienstleister werden in besonderem Maße unter dem zeitweiligen Nachfrageausfall leiden.

Je nach Dauer des Lockdowns können ihre Jahresumsätze um 30 bis 40 Prozent geringer ausfallen. Solche Einbrüche katapultieren auch Unternehmen mit vorher guter Bonität in die Insolvenz, wenn sie keine Unterstützung erhalten. „Dass die Bundesregierung hierfür keine Grenzen definiert hat, ist richtig“, meint ZEW-Ökonom Dr. Georg Licht, „der Erhalt der Unternehmensstrukturen über eine begrenzte Durststrecke hinweg ist auf längere Sicht ökonomisch besser, als eine Insolvenz von im Grunde gesunden Unternehmen zuzulassen, die dann nach der Krise erst wieder gegründet und neu aufgebaut werden müssen.“

In den vorab dargelegten Untersuchungsergebnissen nicht enthalten sind die rund 440.000 jungen Unternehmen der Privatwirtschaft, die jünger als vier Jahre sind. Sie beschäftigen derzeit etwa 1,2 Millionen Mitarbeiter/innen. Als Neueinsteiger auf den Märkten sind sie oft grundsätzlich in einer angespannten finanziellen Situation. Produkte oder Dienstleistungen müssen sich erst noch auf den Märkten etablieren. Für Unternehmen mit radikal neuen Angeboten ist dies ohnehin problematisch – auch ohne Krise. Deren potentielle Kunden müssen vom Nutzen überzeugt werden, die Marktdurchdringung dauert länger. Daher ist davon auszugehen, dass diese jungen Unternehmen weitaus stärker gefährdet sind als die älteren.