Schwellenländer steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit und holen weiter zu Industrienationen auf

Forschung

Länderindex Familienunternehmen – Standortfaktoren in Emerging Markets

Russland als Standort für Familienunternehmen legt im aktuellen internationalen Vergleich an Attraktivität deutlich zu.

Ungeachtet politischer Spannungen und Sorgen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben die Türkei, Russland und China die Standortattraktivität in den vergangenen Jahren ausgebaut. Das geht aus dem „Länderindex Familienunternehmen – Emerging Markets“ hervor, den das ZEW Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt hat. In der Untersuchung steht Russland auf dem ersten Platz, gefolgt von der Türkei und China.

Die Untersuchung stützt sich auf objektiv messbare Daten zu Wettbewerbsfaktoren, die von
international anerkannten Institutionen stammen. Ein Index, der nach den Bedürfnissen von
Familienunternehmen gewichtet wurde, bemisst die Standortattraktivität. Erstmals wurden
auch hohe CO2-Emissionen als Standortrisiko gewertet. Die Daten sagen nichts über politische
Entwicklungen aus. Gleichwohl wird deutlich, dass Demokratiedefizite und mangelhafte Rechtstaatlichkeit auf Dauer Wirtschaftsstandorten einen Schaden zufügen.

„Viele Schwellenländer haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen,
um wettbewerbsfähiger zu werden. Es liegt in ihrem Interesse, Fortschritte bei den Wirtschaftsbedingungen auch in Einklang mit Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit zu
bringen“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Das
schafft die beste Grundlage für stabile Geschäftsbeziehungen.“

Russland konnte die Stellung als attraktivster Standort im Kreis der wichtigsten Emerging Markets
ausbauen. Familienunternehmen können auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zugreifen. Die
Regelungen in den Bereichen Besteuerung, Regulierung sowie Energiekosten sind günstig. Die
größte Schwäche des Standorts bleibt allerdings die Dimension „Institutionen“. In der Kategorie
erzielt das Land wegen autokratischer Tendenzen das zweitschlechteste Ergebnis. Auch in den
Bereichen Rechtssicherheit und Eigentumsrechte schneidet Russland schlecht ab.

China und Türkei im Aufwind

Ähnlich verhält es sich mit der Türkei. Das Land hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um sich für Investoren und heimische Familienunternehmen attraktiver aufzustellen. Das Land bietet günstige Steuerregelungen und ein liberales Regulierungsumfeld sowie gut ausgebildetete Arbeitskräfte. Die institutionellen Bedingungen sind – ähnlich wie im Fall Russlands – die größte Schwachstelle.

Auch China hat seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die Staatsführung geht hart gegen Kriminalität und Korruption vor, die Finanzierungsbedingungen sind gut. Die klare Standortschwäche liegt auf dem Arbeitsmarkt. Die hohen Löhne stehen einer vergleichsweise geringen Produktivität gegenüber, es gibt darüber hinaus Defizite beim Bildungsniveau.

Die negativste Entwicklung hat Südafrika durchlaufen. „Hier spiegelt sich noch die neunjährige Präsidentschaft des erst Anfang 2018 zurückgetreteten Jacob Zuma wider, die zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei internationalen Investoren geführt hatte“, schreibt  Studienautor Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am ZEW. In drei von sieben Bereichen des Länderindex sanken die Punktwerte deutlich. Das Schlusslicht ist Brasilien. Die größten Schwachstellen sind das vergleichsweise restriktive Regulierungsumfeld sowie die unzureichende Infrastruktur.

Die Studie zeigt auf, dass Staaten wie Russland und die Türkei ein hohes Potenzial für eine Intensivierung der Geschäftsbeziehungen mit der Europäischen Union bieten. Ein Ende der politischen Spannungen hätte positive wirtschaftliche und politische Folgen. Beide Seiten würden von intensiveren Wirtschaftsbeziehungen profitieren, zudem könnte die EU stärker als Anwältin für Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratie auftreten.

Reformbedarf in Deutschland

Der „Länderindex Familienunternehmen – Emerging Markets“ wirft auch ein Schlaglicht auf den Reformbedarf in Deutschland. „Die Konkurrenz der Schwellenländer für etablierte Standorte von Familienunternehmen wächst kontinuierlich“, heißt es in der Studie. „Das regulatorische Umfeld entwickelt sich in eine unternehmensfreundliche Richtung und zumeist ist die staatliche Kontrolle über Märkte rückläufig. Dies steht in einem bemerkenswerten Kontrast zur stark steigenden Regulierungs- und Interventionsfreude der deutschen Wirtschaftspolitik.“

Für die deutsche Politik ergibt sich aus der Studie ein klarer Handlungsauftrag: „Dass die Schwellenländer schon seit Jahren entschieden daran arbeiten, ihre Standortbedingungen zu verbessern, muss für Deutschland ein Weckruf sein“, sagt Stiftungsvorstand Kirchdörfer. „Wir brauchen eine neue Reformdynamik. Sonst droht Deutschland im internationalen Standortwettbewerb abghängt zu werden.“ Im „Länderindex Familienunternehmen“, einem Vergleich von 21 Industrienationen, war Deutschland zuletzt um vier Plätze auf Rang 16 zurückgefallen.

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