Wie sinnvoll sind Minijobs? Minijobs drohen zur Falle zu werden

Nachgefragt

Seit dem Jahreswechsel dürfen geringfügig Beschäftigte mit Minijobs monatlich 50 Euro zusätzlich, also insgesamt 450 Euro abgabenfrei verdienen. Damit stärkt die Bundesregierung ein Instrument, das wegen zahlreicher Nebenwirkungen längst auf den arbeitsmarktpolitischen Prüfstand gehört, sagt Holger Bonin, Arbeitsökonom am ZEW.

Prof. Dr. Holger Bonin ist seit dem Jahr 2007 Leiter des  Forschungsbereichs "Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung" am ZEW. Darüber hinaus ist er Professor für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Arbeitsmärkte und soziale Sicherung an der Universität Kassel. Bonin untersucht unter anderem die Wirksamkeit der ehe- und familienbezogenen Leistungen, die Beschäftigungsprobleme von Geringqualifizierten, die Flexibilität von Löhnen sowie die ökonomischen Folgen von demografischen Veränderungen und Migration. Er ist Mitglied des Bevölkerungswissenschaftlichen Ausschusses im Verein für Socialpolitik (VfS) und Research Associate des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA).

Die Anzahl der Minijobber insgesamt ist in den vergangenen Jahren in Deutschland immer weiter gestiegen. Warum sind diese Jobs so beliebt?

Natürlich lockt die Steuer- und Abgabenfreiheit. Männer übernehmen geringfügige Beschäftigungen gern als Zweitjobs neben der normalen Arbeit. Das ist attraktiver als etwa bezahlte Überstunden, für die Steuern und Sozialabgaben fällig würden. Auch für Mütter, die nur wenige Stunden arbeiten möchten, scheinen Minijobs attraktiver als sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit. Sie vermeiden damit die hohe implizite Besteuerung durch das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Und was die Arbeitgeber angeht: Geringfügig Beschäftigte sind eine Flexibilitätsreserve, die hilft, Arbeitskosten zu senken.

Minijobs wurden geschaffen, um Brücken in die reguläre Beschäftigung zubauen. Funktioniert das?

Nein. Jedenfalls ist die Übergangsrate von geringfügiger in reguläre Beschäftigung sehr niedrig. Vor allem Frauen, die häufig Minijobs fernab ihrer früheren Tätigkeit annehmen, geraten durch rasch einsetzende Dequalifizierung und Stigmatisierung in eine Falle. Zwar gibt es Evidenz, dass Langzeitarbeitslose, die eine zu ihren Qualifikationen passende geringfügige Beschäftigung annehmen, später häufiger sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind als andere Langzeitarbeitslose. Aber das ist kein Argument für eine Abgabenfreiheit bei marginalen Tätigkeiten. Die spielt nämlich für Hartz IV-Empfänger als Anreiz zur Arbeitsaufnahme überhaupt keine Rolle. Nach geltendem Recht würden fällige Sozialabgaben über höhere Hartz IV-Leistungen ausgeglichen. Darum wird die nun vorgenommene Anhebung der Entgeltgrenze auch an der Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen vorbeigehen, die bereits die bisherige 400-Euro-Regelung nicht voll ausgeschöpft haben.

Gehen durch Minijobs sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen verloren?

Empirisch ist das schwer nachzuweisen. Ohnehin sollte man die Frage besser anders herum stellen. Würden bei Abschaffung der Minijobs zusätzliche Normalarbeitsverhältnisse entstehen, die gerade für Geringqualifizierte ein auskömmliches Einkommen bieten könnten? Und da bin ich optimistisch. Zwar darf man nicht nach der Formel "vier Minijobs weniger, gleich eine Vollzeitstelle mehr“ rechnen, denn die wegfallenden Kostenvorteile werden die Arbeitsnachfrage dämpfen. Aber einfache Tätigkeiten wie das Einräumen von Supermarktregalen oder Reinigungsarbeiten, die heute oft über Minijobs organisiert werden, lassen sich nicht einfach wegrationalisieren. Dass Argument, dass einzelne Betriebe Beschäftigte eben nur für wenige Stunden brauchen, trägt nicht. Solche Betriebe könnten Personaldienstleister beauftragen, die mit Vollzeit beschäftigten arbeiten.

Wie steht es um die Arbeitsbedingungen in den Minijobs?

Die empfinden viele geringfügig Beschäftigte selber als gar nicht so schlecht. Allerdings arbeiten viele Minijobber zu Niedriglöhnen. Und dies ist nur zum Teil die Folge ihrer geringen Qualifikation oder Wertschöpfung. Die Abgabenfreiheit gegenüber der regulären Beschäftigung schafft einen Einkommensvorteil, von dem verhandlungsstarke Arbeitgeber einen Teil abschöpfen, und sei es in Form von unbezahlten Überstunden. Außerdem berichten viele Minijobber, dass in ihrem Umfeld Schwarzarbeit vorkommt.

 Was muss sich ändern bei den Minijobs – oder sollten sie direkt abgeschafft werden?

Minijobs gehören zwingend auf den arbeitsmarktpolitischen Prüfstand. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und plädiere für ihre Abschaffung - auch wenn das eine unpopuläre Forderung ist. Das ZEW hat verschiedene Simulationsrechnungen durchgeführt, die deutlich zeigen, dass das Arbeitsangebot spürbar nach oben geht, wenn die Menschen nicht länger in der Minijob-Falle hängen bleiben können. Sicher ist eine unbürokratische Lösung für Kleinstbeschäftigungen sinnvoll. Aber dafür würde auch eine Sozialabgabenfreiheit auf Monatseinkommen bis 100 Euro reichen.