Europa braucht dringend ein Insolvenzsystem für überschuldete Euro-Staaten

European Integration

ZEW-EconPol-Studie zu EU-Reformen

Im Fall einer staatlichen Überschuldung neigt die Politik zur Konkursverschleppung.

Europa benötigt endlich ein Insolvenzsystem für überschuldete Euro-Staaten. Allerdings ist bei der Erarbeitung der Details eines solchen Systems Sorgfalt geboten. Unerlässlich sind Vorkehrungen, dass Banken nicht länger hohe Forderungen gegen einzelne Euro-Staaten halten dürfen. Dies sind zentrale Erkenntnisse einer gemeinsamen Studie des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, und des internationalen Forschungsnetzwerks EconPol Europe, die heute in Brüssel bei einer gemeinsam von ZEW und EconPol organisierten Lunch Debate vorgestellt wurden.

Ausgangspunkt der Analyse eines deutsch-französischen Autorenteams ist die Beobachtung, dass die Politik im Fall einer staatlichen Überschuldung zur Konkursverschleppung neigt. So hat es bei Griechenland viel zu lange gedauert, bis die Gläubiger durch Forderungsverzicht an einer Lösung beteiligt werden konnten. Hier sollte in Zukunft ein gesetzlich festgelegtes Insolvenzsystem für Euro-Staaten Abhilfe schaffen. Dabei muss beachtet werden, dass ein falsch konstruiertes System das Risiko einer erneuten Kettenreaktion von Staats- und Bankenpleiten provozieren könnte.

Wie sich derartige Risiken begrenzen lassen, legen die Wissenschaftler Christophe Destais (CEPII Paris), Dr.  Frederik Eidam und Prof.  Dr.  Friedrich Heinemann (beide ZEW Mannheim) in ihrer Studie dar. Demnach sollten Banken endlich durch Kreditgrenzen oder Eigenkapitalanforderungen dazu gebracht werden, weniger Anleihen des eigenen Landes in ihrer Bilanz zu halten. Die Aktivierung eines Insolvenzsystems für Staaten sollte nicht von starren Regeln abhängig gemacht werden. Besser ist es nach Ansicht der Autoren, wenn eine unabhängige Institution darüber entscheidet. Dafür käme zum Beispiel der Europäische Fiskalrat in Frage.

Wenn hingegen der Europäischen Kommission zu viel Einfluss eingeräumt würde, dann könnte dies wieder zu politisch motivierten Verzögerungen des Verfahrens führen, so die Sorge der Wissenschaftler. Neue Vertragsklauseln in den Anleihebedingungen, sogenannte „Collective Action Clauses“, könnten zudem eine hilfreiche Rolle für eine reibungslose Umschuldung spielen.

Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“, zieht folgendes Fazit: „Ein Insolvenzsystem für Euro-Staaten darf nicht länger ein Tabu sein. Ohne eine glaubwürdige Lösung bei Überschuldung eines Staates eben auch unter Einbeziehung privater Gläubiger und zu deren Lasten würden letztlich Steuerzahler anderer Euro-Staaten zur Kasse gebeten, um ein solches Land zu retten. Die Risiken bei der Einführung einer Insolvenzordnung sind beherrschbar. Wichtig ist, dass die Politik keine Zeit mehr verliert und erste Schritte einleitet. Sonst bleibt die Eurozone letztlich hilflos gegenüber Regierungen, die eine unverantwortliche Haushaltspolitik betreiben und auf Transfers spekulieren.“

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Europäisches Forschungsnetzwerk für Wirtschafts- und Finanzpolitik

01.05.2017 – 31.12.2021 Mehr zum Projekt