Konjunkturexperten/-innen schrauben Wachstumsprognose nach unten und Inflationsprognose nach oben

Trotz des überraschend kräftigen Wirtschaftswachstum im Eurogebiet zum Vorquartal wurde die BIP-Prognose für 2023 weiter reduziert.

Die Expertinnen und Experten für Konjunktur erwarten ein geringeres Wirtschaftswachstum für das Eurogebiet und Deutschland als noch vor ein paar Wochen prognostiziert. Gleichzeitig wurden die Inflationsprognosen erhöht und liegen damit weit über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank. Das zeigen die Konjunkturtableaus von ZEW Mannheim und Börsen-Zeitung.

Das Wirtschaftswachstum im Eurogebiet war mit 0,7 Prozent zum Vorquartal überraschend kräftig, nach 0,6 Prozent im ersten Quartal. Demgegenüber hat die Dynamik in Deutschland ganz erheblich nachgelassen. Nach einem starken ersten Quartal (0,8 Prozent zum Vorquartal) verharrte das saison- und kalenderbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf dem gleichen Niveau.

BIP-Prognosen sinken weiter

Für dieses und vor allem das nächste Jahr sind die Expertinnen und Experten weniger optimistisch als noch vor einigen Wochen. Für das Eurogebiet wurde die BIP-Prognose für 2023 von 2,3 Prozent auf 1,6 Prozent reduziert. Für die deutsche Wirtschaft sehen sie für das Jahr 2022 noch 1,7 Prozent Wachstum (zuvor: 2,1 Prozent) und für 2023 sinkt die Prognose von 2,5 Prozent auf jetzt 2,1 Prozent.

Inflationsrückgang nicht in Sicht

Die Inflationsprognosen wurden sowohl für das Eurogebiet als auch für Deutschland deutlich erhöht. Für das Eurogebiet beträgt die Inflationsprognose für 2022 jetzt 7,5 Prozent (zuvor: 6,8 Prozent) und für Deutschland 7,0 Prozent (zuvor: 6,5 Prozent). Nach wie vor rechnen die Prognostiker für das nächste Jahr mit einem starken Knick in der Inflationsentwicklung, allerdings sind sie weniger zuversichtlich hinsichtlich des Inflationsrückgangs. Im Jahr 2023 soll die Inflation im Eurogebiet und in Deutschland bei 3,7 Prozent (zuvor: 2,7 Prozent) liegen, also weit über dem Zielwert der EZB. Die Zeit für zögerliche Zinserhöhungen ist somit zu Ende.

Zinsanstiege erwartet, Realzinsen jedoch weiter im negativen Bereich

Deutsches Bruttoinlandsprodukt bleibt auf dem gleichen Niveau wie letztes Quartal.

Die Zinsprognosen gehen aus diesem Grund auch erheblich weiter nach oben. Für das laufende Jahr sehen die Expertinnen und Experten zwar nur noch einen leichten Anstieg auf 0,4 Prozent. Im kommenden Jahr 2023 sollen die kurzfristigen Zinsen aber im Median auf ungefähr 1,5 Prozent steigen. Dies entspräche von heute aus gesehen einem Anstieg um 125 Basispunkte. Auch die langfristigen Zinsen sollen weiter ansteigen, auf 1,5 Prozent (zuvor: 1,2 Prozent) in diesem Jahr und 1,7 Prozent (zuvor: 1,4 Prozent) im kommenden Jahr. Trotz dieser erwarteten Zinsanstiege bleiben allerdings die (implizit) prognostizierten Realzinsen in beiden Jahren weit im negativen Bereich. Die Zinsprognosen zeigen außerdem, dass der Zinsabstand zwischen Eurogebiet und USA 2023 geringer werden sollte, was zu einer Stützung des Eurokurses führt.

Konjunkturtableaus von ZEW und Börsen-Zeitung

In Kooperation mit der Börsen-Zeitung veröffentlicht das ZEW seit dem Jahr 2013 monatlich Konjunkturtableaus für Deutschland und die Eurozone mit volkswirtschaftlichen Kennzahlen und Prognosen. Zahlreiche Banken und Institute veröffentlichen in unterschiedlichen Abständen Berichte über die aktuelle und voraussichtliche wirtschaftliche Lage. Aus diesen Publikationen werden die für das Tableau relevanten Informationen herausgefiltert und der Median, das Minimum und das Maximum aus den Prognosen für das jeweils laufende und dessen Folgejahr berechnet.

Die monatlich veröffentlichten Konjunkturtableaus zeigen die aktuellen Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Verwendungskomponenten des BIP, Verbraucherpreise, Industrieproduktion, Arbeitslosenquote und lang- und kurzfristige Zinsen sowie Zinsdifferenzen. Der Fokus liegt auf nationalen Informationsquellen, allerdings ergänzen die Prognosen einiger internationaler Banken und Institute die Datenbasis des Tableaus. Das Tableau für den Euroraum wird zudem noch mit Daten von europäischen Banken und Instituten erweitert.

Kontakt