Höhere Beiträge für Bürgergeldempfänger lösen Grundproblem nicht
KommentarZEW-Ökonomen Simon Reif und Friedrich Heinemann zur Klage des GKV Spitzenverbandes
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen möchte heute in seiner Verwaltungsratssitzung beschließen, dass vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Klage gegen das Bundesamt für Soziale Sicherung eingereicht wird, um höhere Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit für die Gesundheitskosten von Menschen mit Bürgergeldbezug zu erreichen. Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, kommentiert:
„Die Forderung nach höheren Beiträgen für Versicherte mit Bürgergeldbezug ist nachvollziehbar. Die finanzielle Lage der Krankenkassen ist extrem angespannt und weitere Erhöhungen der Zusatzbeiträge lassen sich kurzfristig nur durch zusätzliche Einnahmen aus anderen Quellen verhindern. Die Beiträge für die rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger sind hier ein großer Hebel.
Die Diskussion um höhere Beiträge verkennt allerdings, dass grundsätzlich genug Geld im System vorhanden ist. Deutschland hat im europäischen Vergleich mit die höchsten Gesundheitsausgaben. Strukturelle Reformen müssen also insbesondere an der Ausgabenseite ansetzen. Dennoch kann ein höherer Beitrag der Bundesagentur für Arbeit den Krankenkassen und regulären Beitragszahlenden eine dringend nötige Verschnaufpause verschaffen. Eine langfristige Lösung für die Finanzprobleme der Sozialversicherungen wäre das allerdings nicht. Die Kosten würden von einem Topf in den anderen verschoben.“
Dazu Friedrich Heinemann
Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Heidelberg, ergänzt hierzu:
„Die Diskussion um faire Beiträge für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger legt auch eine generelle Frage zur Ausgestaltung des Solidarsystems offen. Genau wie bei den Beiträgen für Bürgergeldempfänger stellt sich auch bei anderen Versicherten die Frage nach dem fairen Beitrag. Versicherte können durch Verringerung ihrer Arbeitsstunden ihre Beiträge mindern, so dass beispielsweise die Akademikerin in freiwilliger Teilzeit weniger Beiträge leistet als der Erzieher, der Vollzeit arbeitet. Angesichts des immer weiter steigenden Anteils an Erwerbstätigen in Teilzeit muss sich das GKV-System dieser Diskussion in Zukunft stellen.“