Die wichtigste Währung der Eurozone ist Glaubwürdigkeit

ZEW Lunch Debate in Brüssel

Podiumsdebatte nimmt Euro-Perspektive Osteuropas in den Blick

Auf dem Podium bei der Debatte (v.l.n.r.): Dr. Mateusz Szczurek, ZEW-Ökonom Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Moderator Jan Strupczewski, Dr. Eva Zamrazilová und Istvan Székely, PhD.

Will die Europäische Union ihre östlichen Mitglieder in die Eurozone einbinden, muss ein umfassendes Reformpaket für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion geschnürt werden, das vor allem mit Glaubwürdigkeit punktet. Zwar sind die ost- und zentraleuropäischen Länder pauschal keine Euro-Gegner und stehen – gemessen an den Maastricht-Kriterien – in Haushaltsfragen besser da als einige Euro-Länder. Jedoch überwiegt im Osten bislang Skepsis, was den Beitritt zur Eurozone betrifft. Der zentrale Grund dafür ist, dass das Kosten-Nutzen-Kalkül für die zentral- und osteuropäischen EU-Staaten noch nicht aufgeht. Die jüngste ZEW Lunch Debate brachte diese Umstände auf den Punkt.

ZEW Lunch Debate in Brüssel: Die wichtigste Währung der Eurozone ist Glaubwürdigkeit

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Rund 100 Gäste waren der Einladung des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in die Brüsseler Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU gefolgt, um die Debatte zum Thema „Die EU und die Reformen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“ aus Sicht der Mitgliedstaaten in Zentral- und Osteuropa zu verfolgen. Grundlage der Podiumsdiskussion war eine Studie zur Euro-Perspektive Osteuropas, die das ZEW mit Förderung der Brigitte Strube Stiftung zuvor durchgeführt hatte.

„Die Studie erweitert die anhaltende Auseinandersetzung über Reformen der Währungsunion um eine wichtige normative Komponente“, sagte Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Strube, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns BASF und langjähriger ZEW-Aufsichtsrat, zu Beginn der Veranstaltung. Der gemeinsame Nenner sowohl im Westen als auch Osten Europas bei dieser Auseinandersetzung sei indes, dass es erhebliches Verbesserungspotenzial gebe. Wo dieses Potenzial liegt, machte ZEW-Wissenschaftlerin Annika Havlik, eine der Autorinnen der Studie, in ihrem Vortrag vor der Podiumsdiskussion deutlich.

„Der Zuspruch zur Eurozone ist deutlich gesunken“

„Der Zuspruch zur Eurozone ist in den vergangenen Jahren unter den zentral- und osteuropäischen EU-Mitgliedern deutlich gesunken“, so Havlik. Einzig Rumänien unterstütze offiziell die gemeinsame Währung, aber auch dort sei die Akzeptanz stetig gesunken. Dabei belege die ZEW-Analyse, dass die zentral- und osteuropäischen Staaten mit Blick auf Staatsverschuldung und -defizit die sogenannten Maastricht-Kriterien erfüllten, beim Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt sehr weit aufgeholt und manche südliche EU-Länder bereits überholt hätten. „Die Länder in Zentral- und Osteuropa bringen rein auf Vertragsbasis alle Voraussetzungen mit, um der Eurozone beizutreten, die Entscheidung darüber ist aber eine Kosten-Nutzen-Abwägung“, schloss Havlik. Konkrete Reformvorhaben für den Euroraum müssten Paketlösungen bieten, die Staatsüberschuldung nach einem geordneten Verfahren und nicht auf gegenseitige Kosten regelten.

Das Podium arbeitete sich in der anschließende Debatte, moderiert von Reuters-Journalist Jan Strupczewski, vor allem an der Frage danach ab, wie die Chancen für einen Euro-Betritt der zentral- und osteuropäischen EU-Mitglieder stehen. Die Vorsitzende des tschechischen Fiskalrats, Dr. Eva Zamrazilová, betonte, dass eine reale und realistische Annäherung von West und Ost stattfinden müsse, bevor etwa Tschechien die Einführung des Euro erwäge. Das Debattieren um die Reform der Währungsunion konzentriere sich momentan auf Risikoaufteilung und Marktdisziplin. Einheitliche und faire Wettbewerbsbedingungen seien aber gerade bei einer gemeinsamen Währung unabdingbar. „Der Euro allein garantiert noch kein Wirtschaftswachstum, dazu sind auch Reformen auf nationaler Ebene nötig“, so Zamrazilová.

Den Aspekt der Währungsstabilität griff Istvan Székely, PhD auf. „Die Finanzkrise vor zehn Jahren war eine substanzielle Bedrohung für den Euro und hat gezeigt, dass die ursprüngliche Architektur der Währungsunion Defizite hat“, hielt der Berater der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission fest. Ungarn würde den Euro im Grunde begrüßen, wünsche sich aber mehr Mitsprache bei der Ausgestaltung der zuständigen Institutionen. Dabei könne es nicht nur um technokratische Entscheidungen gehen. „Wir können nicht über eine Reform der Eurozone sprechen, ohne über eine Reform der EU insgesamt zu reden“, erklärte Székely.

„Wir sprechen über einen heiklen Prozess“

Den Euro zum jetzigen Zeitpunkt einzuführen hieße für Zentral- und Osteuropa, gute Wirtschaftsleistung gegen höhere Preisvolatilität einzutauschen, gab Dr. Mateusz Szczurek zu Bedenken. „Wir sprechen hier über einen heiklen Prozess“, sagte der ehemaliger polnische Finanzminister, der heute in leitender Funktion bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) arbeitet und Mitglied des Europäischen Fiskalrats ist. In konjunkturell günstigen Zeiten würde der Euro das Wirtschaftswachstum beschleunigen, in Schwächephasen allerdings größere Ungleichgewichte verursachen. Solange die politischen Kosten also überschaubar blieben, bestehe keine Notwendigkeit für die Länder Zentral- und Osteuropas, der Eurozone beizutreten. Und solange keine echten Reformen angestrengt würden, „zielt die nationale Politik darauf ab, zunächst nur den Fuß in der Tür zu behalten“, so Szczurek.

Diese für die Staaten Zentral- und Osteuropas typische abwartende Haltung mit Blick auf den Euro und seine Entwicklung bewertete Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ sowie Projektleiter der ZEW-Studie zum Thema, am Ende der Debatte als nachvollziehbar. Der regulatorische Rahmen des Konstrukts Währungsunion sei noch zu vage. Daher werde die Eurozone von den zentral- und osteuropäischen EU-Mitgliedern kritisch beäugt, solange unklar sei, welche greifbare Gestalt die Reformpläne annähmen. Dass eine Mitgliedschaft in der Eurozone mehr Stabilität für die einzelnen Länder bringe, müsse verbindlich garantiert werden. Daher gelte es, „eine glaubwürdige Antwort auf die Frage zu finden, wie wir mit Euro-Staaten umgehen, die billigend Strafverfahren aufgrund von Staatsdefiziten in Kauf nehmen“, so Heinemann. Das Erpressungspotenzial der Eurozone derzeit sei enorm.

Zwar beschäftigte sich das Podium bei der Diskussion ausschließlich mit der innereuropäischen Perspektive auf den Euro. Aus dem Publikum kam allerdings die Fragen, wie der globale Handel in den Reformbemühungen berücksichtigt werden müsse und wie die osteuropäischen Staaten der EU-Kohäsionspolitik gegenüberstehen – kritische Punkte, die Spielraum für tiefere Diskussionen eröffneten.

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