„Das Pariser Abkommen war bereits 2015 äußerst ambitioniert“
KommentarDrei Fragen zur Weltklimakonferenz an Umweltökonom Dr. Oliver Schenker
Vom 10. bis 21. November 2025 findet in Belém (Brasilien) die 30. Weltklimakonferenz (COP) statt. Aktuell gibt es jedoch wenig Grund zum Feiern, was den Klimaschutz betrifft: 2024 sind die USA erneut aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und die globale Temperatur stieg um 1,6 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit an. Wie es derzeit um die COP steht, ordnet Dr. Oliver Schenker, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Klimaökonomik“, ein.
Die COP feiert diesen Herbst ihren 30. Geburtstag. Welche Bilanz lässt sich ziehen?
Das hängt von der Perspektive ab. Gemessen an der Komplexität des Problems wurde schon einiges erreicht. Es ist eine gigantische Herausforderung, sich weltweit zu verständigen und unsere Energiesysteme, die uns so viel Wohlstand gebracht haben, mit großen Kosten komplett zu transformieren. Während wir vor Abschluss des Pariser Abkommens im Jahr 2015 auf eine Erwärmung von etwa 3,5 °C zusteuerten, sind es nun eher 2,8 °C. Das ist ein Fortschritt, aber angesichts der Dringlichkeit natürlich viel zu wenig. Es stellt sich die Frage, ob diese jährlichen großen globalen Gipfel jetzt noch das richtige Forum sind, wenn man lösungsorientierter und rascher vorankommen möchte.
Ist das 1,5-Grad-Ziel dann überhaupt noch sinnvoll?
Wenn wir ehrlich sind, war das 1,5-Grad-Ziel bereits mit Abschluss des Pariser Abkommens im Jahr 2015 äußerst ambitioniert und eher unrealistisch. Die Formulierung im Pariser Abkommen („[…] Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen [...]“) trägt dem ja auch Rechnung. Heute muss man leider festhalten, dass das 1,5-Grad-Ziel Makulatur ist. Das liegt aber auch daran, dass sich das Klima schneller erwärmt als früher angenommen. Der Handlungsdruck steigt also. Wir müssen uns intensiver mit den Auswirkungen und der Anpassung an den Klimawandel beschäftigen, ohne dabei die Emissionsminderung aus den Augen zu verlieren.
Wie steht es aktuell um den Klimaschutz in der EU?
Auch hier ist es eine Frage der Perspektive, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Zum einen hat die EU mit ihrer Entscheidung, den zweiten Emissionshandel, der die Emissionen im Gebäude- und Transportsektor mit einem Preis versehen würde, entgegen früherer Pläne erst mit einem Jahr Verspätung 2028 starten zu lassen, für Investitionsunsicherheiten gesorgt. Allerdings muss man ihr auch zugutehalten, dass sie in geopolitisch und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten mehr oder weniger Kurs gehalten hat. Die geplante Anrechnung internationaler Kompensationszertifikate ist Chance und Risiko zugleich. Die bisherigen Erfahrungen damit sind eher ernüchternd. Doch könnten die daraus gezogenen Lehren helfen, besser gestaltete Mechanismen zu entwickeln, die im Übergang tatsächlich zur Kostensenkung beitragen. Klar ist jedoch: Klimaneutralität kann letztlich nur durch eigene Anstrengungen erreicht werden.