Unsicherheit bei der Steuererklärung ist ansteckend und lässt Steuermoral sinken

Forschung

Einer ZEW-Studie zufolge senken unsichere Steuerangaben anderer die eigene Steuermoral.

Zahlreiche Vorschriften und Steueränderungen lassen die Einkommensteuererklärung immer komplexer und undurchsichtiger werden. Berichte über die Unsicherheit anderer Personen zur Deklarierung ihres zu versteuernden Einkommens können die individuelle Steuermoral von Steuerzahlern/-innen untergraben. Sie werden nachsichtiger gegenüber Steuerhinterziehung, da die Steuerprobleme anderer nachvollziehbar erscheinen. Dieser Effekt fällt für ältere Menschen und eher politisch links orientierte Personen noch stärker aus, belegt eine Studie des ZEW Mannheim. Für die Studie wurden über 4.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer repräsentativen Umfrage befragt.

Deutschland gilt als ein Land mit einer relativ hohen Steuermoral. Steuerhinterziehung ist hierzulande mit einem sozialen Stigma verbunden, zeigen bisherige Studien. Wie sich Informationen über die wahrgenommene Unsicherheit anderer auf die eigene Steuermoral und speziell die Einstellung und Akzeptanz zu Steuerhinterziehung im Allgemeinen auswirken, untersuchten ZEW-Wissenschaftler/innen anhand einer experimentellen Befragung auf Basis der Daten des German Internet Panels (GIP).

Für die Studie wurden die Befragten zufällig auf drei Gruppen verteilt. „Alle Gruppen erhielten zu Beginn den Hinweis, dass Medien häufig über Steuerhinterziehung berichten. Während die erste Gruppe keine weiteren Informationen bekam, lasen die anderen beiden, dass Steuergesetze oft kompliziert und ihnen vom Profil her ähnliche Steuerzahlende deshalb oft unsicher seien, ob sie auch wirklich alle Einkünfte korrekt angegeben hätten“, erklärt Sebastian Blesse, ZEW-Wissenschaftler im Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Autor der Studie. Ausschließlich die dritte Gruppe erhielt den zusätzlichen Vermerk: Fachkundige Steuerzahlende oder diejenigen, die einen Steuerberater beauftragten, könnten die Steuerkomplexität zu ihrem Vorteil nutzen und ihre Steuerlast dadurch reduzieren.

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Soziale Einflüsse wirken sich auf Steuermoral aus

Die Ergebnisse der Studie offenbaren Unterschiede zwischen den Gruppen: Diejenigen, die über die Unsicherheit anderer bei der Erstellung ihrer Steuererklärung informiert wurden, milderten ihre Ansicht in Bezug auf die Steuermoral im Vergleich zur Gruppe ohne diese Information in signifikanter Weise ab. Während in der ersten Gruppe etwa 41 Prozent sagen, Steuerhinterziehung sei absolut nicht vertretbar, zeigen sich die anderen Gruppen toleranter gegenüber dieser Aussage. So empfinden nur rund 28 Prozent der zweiten Gruppe Steuerhinterziehung als überhaupt nicht vertretbar. Auch die zusätzliche Information für die Mitglieder der dritten Gruppe, andere Steuerzahler/innen könnten komplexe Steuerregeln zu ihren Gunsten nutzen, vermindert die Steuermoral. Hier geben rund 33 Prozent an, dass Steuerhinterziehung absolut nicht vertretbar ist.

„Unsichere Steuerangaben anderer senken laut unserer Studie also die eigene Steuermoral. Das liegt vor allem daran, dass Probleme beim Ausfüllen der Steuererklärung für Steuerzahler/-innen sehr gut nachvollziehbar sind, weil auch nach deren eigener Erfahrung die Steuererklärungen immer komplizierter werden. Es handelt sich dabei aber nicht um eine zunehmende Zustimmung für vorsätzliche Steuerhinterziehung“, sagt Blesse.

Bestimmte soziodemografische Gruppen werden stärker beeinflusst

Die ZEW-Studie untersucht auch, welche soziodemografischen Gruppen Steuerhinterziehung für hinnehmbar oder gar nicht gerechtfertigt halten. Dafür wurden neben Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Familienstand oder Erwerbsstatus auch das Haushaltsnettoeinkommen sowie die politische Präferenz in die Analyse mit einbezogen. Die Ergebnisse legen nahe, dass weibliche Steuerzahlende eine höhere Steuermoral als männliche haben. Befragte im Alter ab 48 Jahren lassen sich dagegen stärker von der Unsicherheit anderer beeinflussen als jüngere Steuerzahlende und senken aufgrund dessen ihre Ansprüche an die Steuermoral.

Besser verdienende Steuerzahler/-innen, das zeigt die Umfrage auch, haben höhere Ansprüche an die Steuermoral als solche mit niedrigerem Einkommen. Die Analyse zeigt zudem, dass die Steuermoral mit zunehmendem Bildungsniveau steigt. Die Merkmale Haushaltsgröße, Beschäftigungsstatus und Ruhestand beeinflussen die Steuermoral dagegen nicht. Anders sieht es bei der politischen Einstellung aus: Eher politisch links eingestellte Steuerzahler/-innen lassen sich stärker von der Unsicherheit anderer beeinflussen als konservative. Die Studie macht deutlich, dass Bürger/-innen, die linken Ideologien nahe stehen, eher Verständnis für die Steuerprobleme anderer haben und in diesem Zusammenhang ihre Anforderungen an die Steuermoral in signifikanter Weise zurücknehmen.

„In sehr komplexen und damit auch komplizierten Steuersystemen kann die Steuermoral aufgrund sozialer Einflüsse abnehmen. Politische Entscheidungsträger sollten daher bei kommenden Steuerreformen für vereinfachte Vorschriften bei der Einkommenssteuererklärung plädieren, um so der Gefahr einer nachlassenden Steuermoral entgegenzuwirken“, fasst ZEW-Wissenschaftler Blesse die Ergebnisse zusammen.