Auswirkungen des Flüchtlingszustroms auf Arbeitslosigkeit, Wahlverhalten und Kriminalität in Deutschland

Forschung

Mit zunehmender Migration steigt die Arbeitslosenquote vor allem unter nichtdeutschen Arbeitskräften.

Die Auswirkungen des starken Flüchtlingszustroms stehen im Brennpunkt einer heftigen politischen und gesellschaftlichen Debatte. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, zusammen mit der University of Strathclyde hat nun die kurzfristigen Auswirkungen der Migration auf Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Wahlverhalten in Deutschland untersucht. Es zeigt sich: Mit zunehmender Migration steigt die Arbeitslosenquote vor allem unter nichtdeutschen Arbeitskräften. Die Kriminalitätsrate verändert sich nur unwesentlich. Allein ein stärkerer Flüchtlingszustrom oder die Existenz einer Erstaufnahmeeinrichtung in einem Landkreis führen noch nicht zu größeren Wahlerfolgen migrationskritischer Parteien wie der AfD im Vergleich zu Landkreisen ohne großen Migrationszustrom oder Erstaufnahmeeinrichtung.

Die Untersuchung stützt sich hauptsächlich auf Daten der Landesministerien zu Flüchtlingszuweisungen und Erstaufnahmekapazitäten auf Landkreisebene über den Zeitraum 2013 bis Mitte 2016: Die Datensammlung verzeichnet pro Landkreis Beobachtungen vor und nach der Flüchtlingskrise.

Die Studie liefert keinen Hinweis auf die Verdrängung einheimischer Beschäftigter durch Migranten im betrachteten Zeitraum. Auch Unterschiede zwischen den Bundesländern mit niedriger oder hoher Migration zeigen sich nicht. Vielmehr ging die Gesamtarbeitslosigkeit überall leicht zurück. Das Vorhandensein oder die Größe der Kapazitäten einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge(EAE) in einem Landkreis hat im Vergleich zu einem Landkreis ohne Erstaufnahmeeinrichtung keinen Einfluss auf die Höhe der Arbeitslosigkeit. Ein Zusammenhang besteht allerdings zwischen dem Zuwachs an Migranten und der Zunahme der Arbeitslosenquote für nichtdeutsche Arbeitnehmer/innen. So waren im ersten Quartal 2016 in der deutschen Arbeitslosenstatistik 150.000 zusätzliche nichtdeutsche Arbeitsuchende verzeichnet. Dies bedeutet, dass die durchschnittliche Arbeitslosenquote in dieser Gruppe um 1,2 Prozentpunkte steigt, wenn pro 100.000 Einwohner 387 Flüchtlinge hinzukommen.

Migrationszufluss wirkt sich nur vereinzelt auf Kriminalitätsrate aus

Auf die Kriminalitätsrate wirkt sich der Migrationszufluss nur vereinzelt und bisher eher gering aus. Mit Ausnahme von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht und die Asylgesetze besteht der ZEW-Studie zufolge kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Flüchtlinge und der Anzahl der Straftaten in Deutschland. Im Allgemeinen nahm die Anzahl der Straftaten in den vergangenen zwei Jahren nur geringfügig in Landkreisen zu, die größere Flüchtlingszuflüsse zu bewältigen hatten. Allerdings gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen größeren Erstaufnahmeeinrichtungen und Drogenkriminalität, Schwarzfahren sowie einer höheren Anzahl nichtdeutscher Verdächtiger im Zusammenhang mit diesen Delikten.

Für Drogendelikte gibt es signifikante Effekte in Bezug auf Erstaufnahmelager. Die durchschnittliche Kapazität der Landkreise von 200 Extrabetten pro 100.000 Einwohner/innen ist mit einer Zunahme von etwa vier Drogenvergehen verbunden; das entspricht einem durchschnittlichen Anstieg der Drogenkriminalität in solchen Landkreisen um etwa 1,4 Prozent. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Einrichtung eines Erstaufnahmelagers einen Anstieg sowohl deutscher als auch nichtdeutscher Verdächtiger in Drogendeliktsfällen zur Folge hat.

Allein ein stärkerer Migrantenzustrom ist nicht ausschlaggebend für den Wahlerfolg der AfD

Anhaltspunkte dafür, dass der direkte Kontakt mit Flüchtlingen oder deren Unterbringung in einem Landkreis, die Tendenz unter Wählern/-innen verstärkte, für oder gegen Anti-Einwanderungs-Parteien zu stimmen, gibt es kaum. "Im Vergleich der Landkreise zeigt sich: Allein ein stärkerer Zuzug von Migranten in einem Landkreis oder das Vorhandensein einer Erstaufnahmeeinrichtung dort ist noch kein ausschlaggebender Faktor für den Wahlerfolg der AfD", erklärt Martin Ungerer, ZEW-Ökonom und Mitautor der Studie. Die Wahlgewinne der AfD in den Wahlbezirken mit größeren Migrationszuflüssen seien nicht stärker ausgeprägt, als in den Wahlbezirken mit geringerem Zufluss von Migranten. "Unsere Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass die  Parteien CDU, SPD und GRÜNE größere Verluste in Landkreisen mit größerem Migrationszuwachs hinnehmen mussten", hält Ungerer fest. Diese Parteien zusammen verlieren 4,5 Prozentpunkte im Stimmenanteil, wenn pro 100.000 Einwohner 387 Flüchtlinge hinzukommen. 

Für Rückfragen zum Inhalt

Martin Ungerer, Telefon 0621/1235-3o3, E-Mail ungerer@zew.de

Markus Gehrsitz, Telefon +44 (0)141 548 3960,  E-Mail markus.gehrsitz@strath.ac.uk

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