Unternehmenssteuerreform 2008 - Pläne der Bundesregierung drohen ihr Ziel zu verfehlen

Forschung

Die Pläne der Bundesregierung zur Unternehmenssteuerreform 2008 werden ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. So ist zu erwarten, dass die Steuerreform weder die steuerliche Standortattraktivität noch die Bedingungen für Investitionen und Wachstum entscheidend verbessert.

Gewinner der Reform sind vor allem ertragsstarke Unternehmen. Verschuldete und innovative Unternehmen mit Anlaufverlusten sowie der Mittelstand zählen hingegen zu den Verlierern. Zudem werden systemtragende Prinzipien der Einkommensbesteuerung verletzt. Es ist schließlich zu befürchten, dass das Vertrauen in die Verlässlichkeit der deutschen Steuerpolitik schwindet. Dies sind die Ergebnisse einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und der Universität Mannheim zu den Auswirkungen der geplanten Unternehmensteuerreform.

Am 12. Juli 2006 hat das Kabinett die Eckpunkte der für das Jahr 2008 geplanten Unternehmensteuerreform beschlossen. Die Tarifbelastung der Gewinne für Kapitalgesellschaften soll auf knapp unter 30 Prozent sinken. Dazu soll der Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent auf 12,5 Prozent halbiert und die Gewerbesteuermesszahl von 5 Prozent auf 4 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig entfällt die Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe.

Zur Finanzierung der Einnahmeausfälle aus den Tarifsenkungen prüft derzeit die Bundesregierung drei Optionen:
(1) die hälftige Hinzurechnung der lang- und kurzfristigen Fremdkapitalzinsen zuzüglich eines Zinsanteils von Mieten, Pachten und Leasingraten,
(2) die vollständige Hinzurechnung von lang- und kurzfristigen Fremdkapitalzinsen sowie
(3) die Beschränkung des jährlichen Fremdkapitalzinsabzugs auf 60 Prozent des Gewinns vor Berücksichtigung der Fremdkapitalzinsen, soweit ein Sockelbetrag von 1 Million Euro überstiegen ist; der nichtabzugsfähige Teil ist zeitlich unbegrenzt vortragsfähig.

Mit Hilfe des am ZEW in Kooperation mit der Universität Mannheim entwickelten "European Tax Analyzer" wurden die Konsequenzen der geplanten Maßnahmen für die effektive Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften abgeschätzt. Dazu wurde auf Ebene des Unternehmens eine Senkung der Tarifbelastung mit Körperschaftsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer von derzeit etwa 39 Prozent auf 30 Prozent unterstellt. Als Gegenfinanzierungsmaßnahmen wurden die in der Diskussion befindlichen drei Optionen separat betrachtet.

Für ein typisches mittelständisches Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ergeben sich über einen Berechnungszeitraum von zehn Perioden zwar durchweg Entlastungen. Diese variieren allerdings in Abhängigkeit von der Gegenfinanzierung: Bei hälftiger Hinzurechnung der Zinsen (Option 1) liegt die durchschnittliche Entlastung bei 17 Prozent, bei einem vollständigen Abzugsverbot für Zinsen (Option 2) hingegen bei lediglich 12 Prozent. Wird der Abzug auf 60 Prozent des Gewinns begrenzt (Option 3), beträgt die Entlastung etwa 25 Prozent.

Die vorgesehenen Maßnahmen entlasten vor allem ertragsstarke und mit Eigenkapital finanzierte Unternehmen. Mit zunehmendem Verschuldungsgrad und einer schlechteren Ertragslage fällt die Entlastung dagegen deutlich geringer aus. Im Branchenvergleich können sich auch Mehrbelastungen ergeben, wie etwa im Verkehrsgewerbe mit knapp 20 Prozent. Besonders innovative und damit auch riskante Unternehmen, die typischerweise Anlaufverluste haben, zählen daher zu den Verlierern der Reform.

Im internationalen Vergleich verbessert sich Deutschland im Länderranking nur unwesentlich. Derzeit nimmt Deutschland unter zwölf Ländern den vorletzten Rang ein. Greifen die Abzugsbeschränkungen für Fremdkapitalzinsen, verbessern sich deutsche Kapitalgesellschaften lediglich um zwei Positionen auf den neunten Rang. Von einer spürbaren Verbesserung der Standortattraktivität und der Bedingungen für mehr Wachstum und Investitionen kann also nicht die Rede sein. Wollte man dies erreichen, müssten die vorgesehenen Abzugsbeschränkungen weniger drastisch ausfallen.

Weiterhin plant die Bundesregierung, im Zuge der Unternehmensteuerreform aus Gründen der Steuervereinfachung und zur Verbesserung der Finanzierungsneutralität der Besteuerung auf private Kapitalerträge eine Abgeltungssteuer in Höhe von 30 Prozent einzuführen. Für Dividenden und Veräußerungsgewinne entfällt das bisher geltende Halbeinkünfteverfahren.

Diese geplante Abgeltungssteuer führt in Kombination mit den auf Unternehmensebene vorgesehenen Zinsabzugsbeschränkungen zu einer Doppelbesteuerung der in Unternehmen erwirtschafteten Erträge. Damit ist tendenziell eine steuerliche Mehrbelastung mittelständischer Unternehmen verbunden, bei denen die Gesamtsteuerbelastung auf Unternehmensebene und auf Ebene der Gesellschafter relevant ist. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Abzugsbeschränkung ergeben sich Mehrbelastungen zwischen 1,7 Prozent und 4,15 Prozent. Hiermit verschlechtert sich für den Mittelstand die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber im Ausland ansässigen Konkurrenten.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Der Betrieb" erschienen

Christoph Spengel und Timo Reister (2006), Die Pläne zur Unternehmenssteuerreform 2008 drohen ihre Ziele zu verfehlen, Der Betrieb 59, 1741-1747.

Ansprechpartner

PD Dr. Friedrich Heinemann, Telefon: 0621/1235-149, E-Mail: heinemann@zew.de

Dr. Christina Elschner, Telefon: 0621/1235-142, E-Mail: elschner@zew.de