Flutschäden: Verschiebung der Steuerentlastung war vorschnell

Forschung

Die Verschiebung der für 2003 vorgesehenen Steuerentlastungen als Reaktion auf die Flutkatastrophe trübt die Konjunkturperspektive für 2003 deutlich ein. Zwar ist es politisch verständlich, dass sich mitten im Wahlkampf weder Regierung noch Opposition für unpopuläre Einschnitte auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte stark machen. Doch genau hier würde eine adäquate Antwort auf die nun anstehenden Sonderausgaben zur Beseitigung der Hochwasserschäden liegen.

Das Hochwasser beeinträchtigt die Konjunktur in nur geringem Maße direkt über Produktionsausfälle, weil die betroffenen Regionen nur einen sehr kleinen Anteil zur deutschen Wertschöpfung beisteuern. Auch die positiven Folgen, die sich durch die Wiederaufbauleistungen ergeben, dürften sich auf regionale und sektorale Sondereffekte ohne großes gesamtwirtschaftliches Gewicht beschränken. Die deutlichsten Folgen für die Konjunktur ergeben sich viel mehr durch die nun beschlossene Reaktion der Fiskalpolitik: Eine für Januar vorgesehene erhebliche Entlastung der Steuerzahler in Höhe von 6,9 Milliarden Euro wird um ein Jahr verschoben. Dies trifft den privaten Konsum in einer ohnehin bereits heiklen Situation sinkender Konsumentenzuversicht. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Arbeitnehmer mit weiter schnell steigenden Sozialabgaben konfrontiert ist: Neue Beitragserhöhungen der Krankenkassen sind unvermeidlich, und die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden nach Einschätzung der BfA zum 1. Januar von 19,1 auf 19,3 Prozent steigen. Zum gleichen Zeitpunkt soll außerdem die nächste Erhöhung der Ökosteuern in Kraft treten.
Die nun beschlossene Verschiebung der Steuerentlastung bedeutet also, dass das Jahr 2003 unter den ungünstigen Vorzeichen einer steigenden Abgabenlast stehen wird. Die konjunkturpolitische Konsequenz ist, dass der private Konsum auch im nächsten Jahr nicht als Wachstumsmotor zur Verfügung stehen dürfte.
In der politischen Debatte wird zu wenig über Alternativen zur Steuerfinanzierung der Flutschäden nachgedacht. Diese Einschätzung ist aber zumindest vorschnell. Zwar ist es zutreffend, dass eine höhere Neuverschuldung zur Bewältigung der Lasten nicht in Frage kommt, weil sich die Neuverschuldung ohnehin schon nahe an der Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspakts bewegt. Deutschland könnte zwar hier auf eine Sonderbehandlung in Brüssel hoffen, der Stabilitätspakt würde aber wohl weiter beschädigt, so dass der Weg der Schuldenfinanzierung versperrt ist. Es ist auch richtig, dass die öffentlichen Investitionen nicht weiter beschnitten werden sollten. Dennoch war diese Entscheidung, die Flutschäden über eine Verschiebung der Steuerreform zu finanzieren, aus zwei Gründen überhastet:
Erstens steht die Größenordnung des Schadens für den Fiskus noch nicht annähernd fest. Die widersprüchlichen Summen zum volkswirtschaftlichen Gesamtschaden, die täglich genannt werden, sind nicht gleichzusetzen mit der Belastung für die öffentlichen Haushalte. Große Schadensanteile tragen auch die geschädigten Unternehmen und Privatpersonen selber sowie Versicherungen und Banken, die Kreditausfälle erleiden.
Zweitens wurde kaum ernsthaft geprüft, ob die derzeitige Bereitschaft vieler Bürger zu gewissen Opfern nicht auch für Einsparungen auf der Ausgabenseite genutzt werden kann. Wähler, die für die Flutopfer Steuererhöhungen akzeptieren, werden möglicherweise auch Abstriche bei Subventionen und eine kritische Überprüfung der Sozialausgaben für den gleichen Zweck bejahen.
Damit signalisieren derzeit die Fiskalpolitiker von Regierung und Opposition deutlich die Botschaft, dass außergewöhnliche Ausgaben stets steuerfinanziert werden müssen und außergewöhnliche Einschnitte auf der Ausgabenseite auch in Sondersituationen nicht in Frage kommen. Dies steht in einem auffälligen Widerspruch zu dem sonst formulierten Konsens, dass eine Rückführung der Staatsquote Priorität haben sollte. Auf diese Weise nimmt die fiskalpolitische Glaubwürdigkeit Schaden. Der geringe Spielraum, den die Finanzpolitik zur Bewältigung der aktuellen Flutkatastrophe anscheinend hat, zeigt insgesamt, wie wichtig die Konsolidierung der Ausgabenseite des Budgets langfristig ist.

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