Wir müssen Klimaschutz jetzt anders denken

Standpunkt

Standpunkt des ZEW-Präsidenten Achim Wambach

Donald Trump lehnt die Klimapolitik ab. Wenn die größte Volkswirtschaft der Welt nicht mehr mitmacht: Was bringt es da noch, wenn Europa es tut und dabei seiner Wirtschaft schadet? Dieser Frage geht ZEW-Präsident Achim Wambach in einem Gastbeitrag für DIE ZEIT nach.

Wenn die USA ihre Klimapolitik ändern, gerät Europa stets in Zugzwang. Das war zum Beispiel 2023 so, als Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act (IRA) massive Steuererleichterungen einführte, um die Verlagerung von Produktionsanlagen im Bereich grüner Technologie in die USA zu fördern. Die EU versprach ihren Unternehmen daraufhin die gleiche Unterstützung ("matching grants"), um eine Abwanderung in die USA zu verhindern. Der Batteriehersteller Northvolt bekam deshalb für den Bau einer Fabrik in Schleswig-Holstein 700 Millionen Euro. Das Unternehmen hatte angekündigt, andernfalls in den USA zu investieren.

Nun ist Northvolt insolvent, und auch der IRA ist Geschichte – Präsident Donald Trump hat das Programm gestoppt. Die US-Klimapolitik ist schon wieder eine andere, ja vielleicht ist sie sogar am Ende, das lässt der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen Anfang dieses Jahres befürchten. Eigentlich hatte sich das Land verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um 50 bis 52 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2005 zu senken. Diese Zusage gilt nicht mehr. 

Auch wenn einzelne Bundesstaaten – allen voran Kalifornien – weiter an der Klimaneutralität arbeiten, ist dies ein schwerer Rückschlag für die internationale Klimapolitik. Neben den unmittelbaren Auswirkungen auf die amerikanischen Emissionen dürfte ein größerer Schaden in der Signalwirkung liegen. Wenn einer der größten Verursacher von Treibhausgasen beim Klimaschutz nicht mehr mitmacht, wächst die Versuchung für andere Länder, ihre Anstrengungen ebenfalls schleifen zu lassen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass mit dem Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen auch Geld aus Amerika für Klimamaßnahmen in anderen Ländern wegfällt.

Die Reaktionen in der EU gehen in zwei völlig gegensätzliche Richtungen. Die einen verfallen in eine "Jetzt erst recht!"-Stimmung und erinnern Europa an seine Vorreiterrolle. Die anderen wollen den Kurswechsel in den USA zum Anlass nehmen, selbst den Klimaschutz abzubauen und die europäischen Regeln dazu, den Green Deal, abzuwickeln. Beide Reaktionen sind nicht zielführend.

Wenn man gemeinsam an einem Damm arbeitet und der Bagger ausfällt, ist es wenig sinnvoll, mit Schaufel und Eimer weiterzubauen. Die EU ist für sieben Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, die USA verursachen fast doppelt so viel, nämlich 13 Prozent. Ohne den Beitrag der USA wird sich das Klimaproblem nicht lösen lassen. Zumal weitere Länder dem Beispiel folgen dürften. Wenn der Bagger ausfällt, muss man versuchen, ihn zu reparieren – sollte sich aber auch auf den Dammbruch vorbereiten und den Keller ausräumen.

Die Politik kann nicht mehr davon ausgehen, dass das Pariser Ziel sicher erreicht wird und der weltweite Temperaturanstieg auf unter zwei Grad beschränkt bleibt. Wer jetzt noch darauf setzt, handelt fahrlässig. Die logische Konsequenz ist, dass die Anpassung an ein verändertes Klima eine höhere Priorität bekommen muss. Klimapolitik besteht ja aus zwei Komponenten: Emissionen verringern und sich auf veränderte Klimabedingungen einstellen. Deutschland hat hierfür das Sonderprogramm "Naturschutz und Klimaanpassung" aufgelegt, in dem 500 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um sich gegen Hitze, Dürre und Starkregen zu wappnen. Kommunen können dieses Geld etwa dafür verwenden, den Schutz vor Überflutungen zu verbessern. Dieses Engagement sollte verstärkt werden. Das ist die erste Konsequenz aus dem Kurswechsel in den USA.

Gleichzeitig gilt es, um im Bild zu bleiben, den Bagger zu reparieren. Europa ist nur dann Vorreiter, wenn es dazu beiträgt, dass andere Länder Klimapolitik attraktiv finden. Dazu gehört an vorderster Stelle die Entwicklung neuer Technologien, die den Verzicht auf Emissionen erleichtern. Abschreckend hingegen wirkt Europas Klimapolitik, wenn sie die Arbeitslosigkeit erhöht und die Industrie abwandert. Hierin steckt auch das politische Dilemma, in das Trump die EU versetzt: Wenn die weltweiten Emissionen steigen, wird es schwer zu begründen sein, warum das eigene Haus für viel Geld energetisch saniert werden soll. Weitere Jahre mit geringem Wirtschaftswachstum und vermehrter Unzufriedenheit bei gleichzeitiger aggressiver Klimapolitik werden die Wähler noch stärker an die Ränder treiben.

Mit grünen Technologien lässt sich in diesem System Geld verdienen

Das lässt sich verhindern. Um die Akzeptanz der Klimapolitik zu bewahren und sie als weltweites Vorbild zu präsentieren, sollte die EU sie so effizient wie möglich gestalten. Das bedeutet nicht, vom Green Deal zurückzutreten, wie manche es fordern, sondern ihn kostengünstig umzusetzen. Teure Sonderwege wird man sich nicht mehr leisten können.

Die EU hat dazu bereits einige richtige Instrumente auf den Weg gebracht. Schon heute gibt es einen europäischen Emissionshandel für die Energiebranche und für die Industrie, 2027 startet ein zweiter für Gebäude und Verkehr. Für rund 90 Prozent der Emissionen gilt dann: Wer sie ausstoßen will, braucht ein Zertifikat. Und dieses Zertifikat kostet Geld. Die Menge der Emissionszertifikate wird jedes Jahr reduziert, sodass die europäischen Einsparziele erreicht werden. Der Handel mit diesen Papieren stellt sicher, dass Emissionen immer dort verringert werden, wo es am kostengünstigsten ist. Unternehmen bekommen durch ihn die richtigen Investitions- und Innovationsanreize. Mit grünen Technologien lässt sich in diesem System Geld verdienen.

Weitere kostspielige Eingriffe in die Märkte sind dann weniger notwendig. Bereits der Beschluss zum Kohleausstieg bis 2038 mag zwar sinnvolle Strukturpolitik gewesen sein – für den Klimaschutz aber war er nicht nötig. Denn der Emissionshandel macht das Verbrennen von Kohle schon jetzt so teuer, dass die Energieversorger ihre Kraftwerke abschalten. So hat EnBW angekündigt, bereits 2028 aus der Kohle auszusteigen. Weil es sich ganz einfach wirtschaftlich nicht mehr lohnt – völlig unabhängig vom Kohlebeschluss in Berlin. Ähnliches wird im Automobilsektor zu beobachten sein, wenn der zweite Emissionshandel Benzin und Diesel verteuert. Elektroautos werden dann automatisch immer attraktiver. Von der EU vorgegebene Flottenziele und ein Verbrennerverbot sind dann nicht nötig. Sie können den Umstieg sogar verteuern, wenn in den ersten Jahren kostengünstigere Möglichkeiten, die Emissionen zu senken, etwa durch effizientere Motoren und energiesparendes Verhalten, zu wenig ausgeschöpft würden.

Auch die teuren Förderprogramme für erneuerbare Energien gehören auf den Prüfstand. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will sie völlig zu Recht zurückfahren. Strom aus Sonne, Wind und Wasser lohnt sich künftig auch vermehrt ohne Subventionen.

Die Einführung des zweiten Emissionshandels ist allerdings gesellschaftspolitisch heikel. Denn seine Auswirkungen werden unmittelbar beim Verbraucher, also an der Tankstelle und auf der Heizkostenrechnung sichtbar. Die Europäische Kommission ist daher gut beraten, diesen zweiten Emissionshandel nicht abrupt einzuführen, sondern die Preise allmählich steigen zu lassen, so wie es Deutschland mit seinem nationalen CO₂-Preis in den vergangenen Jahren vorgemacht hat. Ein gemeinsames Papier von 16 Mitgliedsstaaten, darunter Polen, Tschechien und Deutschland, zeigt, dass sich die Regierungen der sozialen Problematik bewusst sind. Sie fordern, zentrale Stellschrauben des Systems vor dem Start nachzujustieren, um Preisstabilität zu gewähren und soziale Härten zu vermeiden. Ein Preiskorridor in den Anfangsjahren würde dies erreichen.

Gleichzeitig braucht es viel mehr Aufmerksamkeit dafür, wie sich hohe Belastungen für die Menschen vermeiden lassen. Als in der Gaskrise die Energiepreise stark stiegen, richtete die Bundesregierung eine Kommission ein, die in kurzer Zeit Vorschläge zur Kompensation von Haushalten und Unternehmen erarbeiten sollte. Vieles war handgestrickt, weil nicht ausreichend Daten vorlagen und die Zeit für Analysen fehlte. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, diesen Fehler beim Preisanstieg für fossile Energien zu vermeiden. Ein viel diskutierter Vorschlag: das Klimageld, bei dem die Einnahmen aus dem Emissionshandel zurück an die Bürger überwiesen werden. Ob das die optimale Lösung ist, darüber lässt sich streiten. Aber ohne einen Alternativplan ist es wohl die am besten erreichbare.

Das Klima zu schützen, ist eine gemeinsame, weltweite Aufgabe. Sie hat den Charakter eines öffentlichen Gutes: Jeder profitiert von den Anstrengungen der anderen, auch wenn er selbst nichts oder nur wenig beiträgt. Mit seinem Ausstieg aus dem Pariser Abkommen hat Donald Trump der Kooperation in der internationalen Klimapolitik geschadet. Um zu verhindern, dass sein Verhalten zum Vorbild wird, muss die EU ihre Klimapolitik neu ausrichten: effizienter, sozialverträglich und innovationsfördernd.

Der Gastbeitrag erschien zuerst in der Wochenzeitung DIE ZEIT.