„Zollpolitik ist keine gute Wirtschaftspolitik“

Standpunkt

Standpunkt des ZEW-Präsidenten Achim Wambach

Trump 2.0: Neue Zölle, alte Risiken. Im Interview mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) im April 2025 erklärt ZEW-Präsident Achim Wambach, warum Zölle der US-Wirtschaft eher schaden, welche globalen Folgen ein verschärfter Handelskonflikt mit China haben könnte und welche Chancen sich daraus für Europa ergeben.

US-Präsident Donald Trump hat die Wirtschaft – neben der Migration – in den Mittelpunkt seiner zweiten Amtszeit gestellt. Was ist bei „Trump 2.0“ anders als in den seinen ersten vier Jahren als Präsident?

Präsident Trump und seine Berater sind dieses Mal viel besser vorbereitet als bei seiner ersten Amtszeit. Das zeigt sich allein in den Executive Orders (präsidentielle Verordnungen), die er bisher erlassen hat: In seinem ersten Monat im Amt 2025 hat er bereits 70 Executive Orders (Stand: 18. Februar) erlassen – 15 mehr als in seinem gesamten ersten Amtsjahr 2017.

Trump will mit seiner Wirtschaftspolitik vor allem erreichen, dass in den USA investiert und dort neue Jobs geschaffen werden. Hat sein aggressives Vorgehen Aussicht auf Erfolg?

Es lohnt sich der Blick zurück in seine erste Amtszeit, in der Trump ebenfalls die Importzölle für verschiedene Güter erhöht hat. Studien zeigen, dass dies der amerikanischen Wirtschaft eher geschadet hat. So wurde wohl der Großteil der Zölle an die amerikanischen Konsumenten und industriellen Nachfrager weitergegeben. Es wird geschätzt, dass diese einen Verlust von 51 Milliarden Dollar erlitten haben. Insgesamt betrug der Verlust für die USA nach diesen Berechnungen 7,2 Milliarden Dollar, denn der Staatshaushalt und inländische Produzenten haben von den Zöllen profitiert. Ähnliches ist von den angekündigten Zöllen zu erwarten, wenn diese denn umgesetzt werden. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel modelliert die Auswirkungen der Zölle, die Trump während seines Wahlkampfs ankündigte: einheitliche 10 Prozent für alle Einfuhren aus Ländern, mit denen die USA kein Freihandelsabkommen haben, sowie einen Zoll von 60 Prozent für chinesische Importe. Dies würde einen Rückgang des Welthandels um 2.5 Prozent im ersten Jahr zur Folge haben, und langfristig zu einem noch stärkeren Rückgang führen. Das Peterson Institut hat ebenfalls die Auswirkungen der Zollandrohungen von Trump während seines Wahlkampfes berechnet. Sie zeigen, dass ein durchschnittlicher Haushalt mit mittlerem Einkommen 1700 Dollar weniger Einkommen hätte, das entspricht einer Reduktion des Einkommens um 2,7 Prozent. Zollpolitik ist keine gute Wirtschaftspolitik. Auch nicht für das Land, das den Zoll erhebt. Aber es stärkt die Staatskasse und die inländischen Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Alle anderen leiden.

Trump sieht den globalen Handel als Kampffeld und der Hauptgegner heißt China. Welche Art der wirtschaftlichen Auseinandersetzung droht hier und was bedeutet das für Europa?

Ein Handelskrieg zwischen China und den USA wird auch Deutschland und Europa treffen. Die Nachfrage nach europäischen Vorprodukten, die in China weiterverarbeitet und in den USA verkauft werden, wird zurückgehen. Außerdem wird der Handelsstreit die Weltwirtschaft bremsen, was wiederum die europäischen, und auch besonders die deutschen Exporteure zu spüren bekommen werden. Mehr Protektionismus der USA kann aber auch eine Chance für Europa sein: Ehemalige Handelspartner werden sich verstärkt nach neuen Handelspartnern umschauen. Europa sollte die Möglichkeit nutzen, neue regionale Abkommen zu schließen. Eventuell gibt sich in dieser Lage auch die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit China im Hinblick auf den Klimaschutz zu intensivieren. Der Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen hinterlässt eine Lücke, die andere füllen können.

Der US-Präsident glaubt daran, mit Zolldrohungen und Zöllen seinen Kurs steuern zu können, ohne dass die USA selbst Schaden etwa durch höhere Inflation erleiden. Ist das möglich?

Ich denke nicht. Zumindest ist die amerikanische Zentralbank, die Fed, besorgt. Das Federal Open Market Committee (der Offenmarktausschuss) der Fed weist darauf hin, dass sich die Zollpolitik negativ auf die Inflation auswirken könnte. Die Zölle in Trumps letzter Amtszeit wurden fast komplett an die amerikanischen Konsumenten und industriellen Nachfrager weitergegeben. Die Zölle würden auch heute zumindest einen einmaligen Preisanstieg verursachen, der sich auch in der Inflation niederschlägt. Ob dies auch mittelfristig zu einer erhöhten Inflation führt, hängt von den Erwartungen der Wirtschaft ab. Eine aus höheren Zöllen resultierende Aufwertung des Dollars kann den Preisanstieg abfedern.

Welche Chancen hat ein auf multilateralen Abkommen basierender Welthandel künftig noch? Müssen wir uns darauf einstellen, dass es künftig nur noch um Handels-„Deals“ zwischen einzelnen Nationen geht?

Das Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) sollte man nicht zu früh abschreiben; mehr als 80 Prozent des Welthandels laufen nach wie vor unter diesen Regeln wie dem Meistbegünstigungsprinzip. Aber aktuell fahren die Amerikaner eine andere Politik. Darin liegt auch eine Chance für Europa, da viele Länder jetzt ein Interesse daran haben, ihre Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. Europa sollte neue Partnerschaften schließen und weitere Freihandelsabkommen eingehen. Dies wird zum einen helfen, die ökonomischen Folgen von Importzöllen in die USA abzufedern, zum anderen kann so auch die Versorgungssicherheit durch die Diversifizierung von Lieferketten erhöht werden und damit die europäische Wirtschaft resilienter werden.

Was raten Sie der deutschen und europäischen Industrie in diesem Umfeld?

Für einzelne kann eine stärkere Gewichtung auf eine Produktion in den USA sinnvoll sein. Man sollte sich aber nicht einreden lassen, die Globalisierung sei am Ende. Der Welthandel, etwa gemessen am Verhältnis zum Weltinlandsprodukt, ist stabil, der internationale Handel mit Dienstleistungen wächst. Der amerikanische Protektionismus wird dazu führen, dass sich neue Märkte wie Mercosur öffnen. Für Unternehmen gilt deshalb wie für die Politik: Abhängigkeiten reduzieren und die sich neu ergebenden Chancen ergreifen.

Dieses Interview erschien zuerst im VDMA online Magazin im April 2025.