#ZEWPodcast: Was haben Insolvenzen mit Zombie-Firmen zu tun?

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Simona Murmann zu Gast im ZEW-Podcast

Der Regel nach ereignen sich besonders viele Insolvenzen in Krisenzeiten. In der Corona-Krise war das anders – die Zahl der Unternehmensinsolvenzen verzeichnete sogar einen Rückgang. Angesichts der Energiekrise stellt sich, trotz steigender Insolvenzzahlen, erneut eine Fülle von Fragen: Welche Unternehmen sind betroffen? Welche Ursachen gibt es? Und wie kann eine Datenbasis geschaffen werden, auf deren Grundlage politische Gegenmaßnahmen entworfen werden können? Innovationsökonomin Simona Murmann bringt im aktuellen ZEW-Podcast Licht ins Dunkel.

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„Prinzipiell ist der wichtigste Grund für Insolvenzanmeldung die Zahlungsunfähigkeit“, erklärt Dr. Simona Murmann, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“, zu Beginn. Diese liege vor, wenn ein Unternehmen innerhalb von drei Wochen nicht in der Lage sei, 90 Prozent seiner fälligen Schulden oder aktuellen Verpflichtungen zu bezahlen. Die Verpflichtung, einen Insolvenzantrag zu stellen, gehe damit einher. Warum es eine solche Pflicht gebe, werde nachvollziehbar, wenn man sich klar mache, „dass hinter jedem insolventen Unternehmen eine Vielzahl von Gläubigern steht, die dem Unternehmen beispielsweise Geld geliehen oder Vorleistungen erbracht hat. Diese könnten sonst selbst zu den nächsten insolventen Unternehmen werden“ Das deutsche Insolvenzsystem ziele darauf, alle Geldgeber/innen mit dem Teil der Insolvenzmasse zu versorgen, der ihnen zusteht – und damit letztlich zu verhindern, dass diese individuell Druck auf Unternehmen in einer Krise ausüben und damit nachteilige Prozesse auslösen.

Insolvenzparadox in der Corona-Krise

Für das Jahr der eintretenden Corona-Krise ging Murmann zunächst von rund 25.000 neuen Insolvenzanmeldungen aus. Doch die Zahl der Insolvenzen sank paradoxerweise – sogar unter das Niveau sonst wirtschaftlich starker Jahre. „Es gibt zwei Gründe, mit denen wir dieses Phänomen erklären“, sagt die Innovationsökonomin. So habe die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht einerseits und die Bereitstellung staatlicher Hilfen andererseits dazu beigetragen, zukunftsfähige Unternehmen vor unverschuldeter Existenznot zu schützen. Kleine und schon vor der Pandemie schwache Unternehmen hätten davon besonders profitiert. Für die volkswirtschaftliche Dynamik stelle dies jedoch ein Problem dar: Ressourcen, etwa Mitarbeiter/innen oder Kredite, würden in nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen gebunden und dadurch zugleich solchen Betrieben vorenthalten, die diese Potenziale effizienter nutzen könnten. „Zombification“ nenne sich dieses Phänomen. Bei großflächigem Auftreten könne es ein „Hemmnis für wirtschaftliches Wachstum“ darstellen.

Energiekrise als neue Herausforderung

Trotz des allmählichen Auslaufens der Pandemie und der Beendigung des Insolvenz-Moratoriums im Frühjahr 2021 sehen sich viele Unternehmen erneut vor große Herausforderungen gestellt. Durch die gegenwärtige Inflations- und Energiekrise komme es zu einer Verteuerung betrieblicher Produktionsfaktoren – ein Effekt, der sich häufig auch im Preis der Produkte niederschlage. Eine Erschwerung des Absatzes, ergänzt durch veränderte Konsumentscheidungen auf der Abnehmerseite, stehe den Unternehmen bei der Implementierung von Transformationsprozessen zusätzlich im Weg. „Wir sehen schon leichte Anstiege in den Insolvenzzahlen“, stellt die Innovationsökonomin fest. Um besser und schneller als in der vorangegangenen Krise reagieren zu können, brauche die Politik nun eine möglichst aktuelle Datengrundlage. Mit einem eigenen Projekt möchten Murmann und ihre ZEW-Forscherkolleginnen und -kollegen zu diesem Puzzle beitragen: In einem technisch aufwändigen Prozess würden Basisinformationen und Insolvenztexte aus dem Web extrahiert und gespeichert, anschließend mit Unternehmensdatenbeständen wie Handelsregisternummer oder Name der Eigentümer/innen verknüpft. Dank des sogenannten Webscrapings werden die Ökonominnen und Ökonomen zeitnah „eine detaillierte Strukturanalyse der Insolvenzen vorlegen.“ Diese beinhalte Informationen zum Alter, zur Branchenzugehörigkeit oder auch zur Energieintensität der erfassten Unternehmen. Im weitläufigen Feld aller wirtschaftspolitischen Daten und Analysen sei dies, bestärkt Murmann, „ein Element, das auf jeden Fall einen Wert hat.“