Ist Klimaneutralität durch den CO₂-Preis möglich?

Nachgefragt

Nachgefragt bei Prof. Dr. Sebastian Rausch

Prof. Dr. Sebastian Rausch, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“, im Interview zur Treibhausgasemissionen in marktwirtschaftlichen Systemen.

Der Klimawandel ist eine enorme globale Herausforderung. Ursache der Erderwärmung ist der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2. Die EU plant deshalb, ab dem Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Dabei setzt sie unter anderem auf Preise für CO2.

Prof. Dr. Sebastian Rausch erklärt im Interview, wie sich Treibhausgasemissionen in marktwirtschaftlichen Systemen reduzieren lassen.

Welches Potenzial hat der CO₂-Preis?

Preise erfüllen in marktwirtschaftlichen Systemen eine wichtige Koordinations- und Anreizfunktion. Sie liefern Informationen über Knappheit und Wert von Gütern und Dienstleistungen. Wie jeder Preis hat auch ein CO2-Preis das Potenzial, ökonomisches Verhalten zu beeinflussen und Entscheidungen zu lenken. Ökonomen/-innen sind der Ansicht, dass CO2-Preise funktionieren. Sie helfen zu verstehen, dass die Atmosphäre ein knappes Gut ist, und lenken das Marktverhalten entsprechend.

Funktioniert das europäische Emissionshandelssystem ETS?

Aus der Perspektive der reinen Emissionsminderung ist das ETS bisher eine Erfolgsgeschichte. Die festgelegten Ziele zur Verringerung der Emissionen wurden erfüllt und die Kostenbelastung für die Unternehmen blieb relativ gering. Aus langfristiger Sicht werden die niedrigen CO2-Preise im europäischen Emissionshandel teilweise kritisch beurteilt. Bisher hat das Preisniveau nicht ausgereicht, um Innovationen und Investitionen anzustoßen, die für die langfristigen Ziele notwendig sind. So waren etwa in der zweiten Phase des europäischen Emissionshandels die Preise für einen mehrjährigen Zeitraum recht niedrig. In jeder Phase wurden Reformmaßnahmen ergriffen, die den Preis für Emissionszertifikate erhöhen. In der jetzigen Phase existiert eine sogenannte Marktstabilitätsreserve, die versucht, mit einem regelgebundenen Ansatz den Überschuss an Emissionszertifikaten innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite zu halten. Dieser Mechanismus wird in Zukunft noch weiterentwickelt werden müssen. Ein Emissionshandelssystem muss in der Lage sein, auf externe Faktoren in einem sich verändernden Marktumfeld zu reagieren und gleichzeitig eine langfristige ­Sicherheit der Politik und der Preissignale zu gewährleisten.

Was steckt hinter dem CO₂-Grenzausgleich?

Die internationale wirtschaftliche Verflechtung kann die Effektivität eines ambitionierten Klimaschutzes ausbremsen, wenn dieser nur in bestimmten Ländern oder Regionen durchgesetzt wird. Geht die EU beim Klimaschutz voran und belegt europäische Unternehmen mit einem hohen CO2-Preis, so werden diese Unternehmen auf lange Frist ihre Produktion dorthin verlagern, wo der Ausstoß nichts kostet. Daher diskutiert die EU, ihre Klimaschutzpolitik mit einem CO2-Grenzausgleich zu unterfüttern. Die Idee ist, dass die EU bald eine Kohlenstoffabgabe für die Einfuhr bestimmter Waren in ihren Wirtschaftsraum verlangt, insbesondere für Importe aus Ländern, in denen weniger strenge Emissionsvorschriften gelten.

Gibt es auch Schwierigkeiten, solch einen Grenzausgleich einzuführen?

Zum einen bekämpft ein Grenzausgleich nur den Teil des sogenannten Carbon-Leakage-Problems, der im Zusammenhang mit der Produktionsverlagerung von CO2-intensiven Gütern ins Ausland entsteht. Ein anderer Teil der Emissionen verschiebt sich über Preise und die Nachfrage für fossile Brennstoffe auf dem globalen Energiemarkt. Wenn eine große Region durch Klimapolitik die Nachfrage nach Öl, Gas und Kohle reduziert, dann verringert dies die Preise auf den globalen Energiemärkten. So wird es für andere Länder günstiger, fossile Brennstoffe zu nutzen. Die dadurch steigenden Emissionen im Ausland können dann die Reduktionen im Inland wieder auffressen. Ein anderes Problem ist, dass ein CO2-Grenzausgleich die Unterschiede in den CO2-Preisen zwischen verschiedenen Ländern, die schon CO2-Bepreisungen haben, berücksichtigen muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass importierte und heimische Emissionen verschiedene Preise bekommen. Dies würde zu Fehlanreizen für ausländische Firmen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen.Ganz grundsätzlich ist das Problem, dass ein CO2-Grenzausgleich nur die Unterschiede zwischen Ländern in der CO2-Bepreisung abbildet. Wie wir wissen, ist Klimapolitik aber viel umfassender: Wettbewerbsverzerrungen, die etwa durch regulatorische Eingriffe wie Standards für erneuerbare Energien im Stromsektor entstehen, lassen sich auch durch einen optimal ausgestalteten Grenzausgleichsmechanismus nicht nivellieren.