Spielraum für die Schuldenfinanzierung fast aller Arten von Staatsausgaben

Kommentar

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann zu den überarbeiteten Vorschlägen zur Stabilitätspakt-Reform

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann zu den überarbeiteten Vorschlägen zur Stabilitätspakt-Reform

Die Europäische Kommission hat heute ihre überarbeiteten Vorschläge zur Reform der europäischen Verschuldungsregeln festgelegt. Sie hält an ihrer Grundidee fest, künftig mit den Mitgliedstaaten individuelle Abbaupfade für die Staatsverschuldung auszuhandeln. Allerdings formuliert sie nun etwas verbindlichere Vorgaben. So sollen Mitgliedstaaten mit einer Verschuldung von über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) eine minimale jährliche Verringerung des Schuldenstands um 0,5 Prozentpunkte vorweisen.

Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim, beurteilt den Vorschlag folgendermaßen: „Die Kritik Deutschlands an den unverbindlichen ersten Vorschlägen der Kommission hat sich erkennbar niedergeschlagen. Immerhin müssen Länder nach den neuen Vorschlägen auch bei langen Fristen schon von Anfang an eine minimale Verringerung des Schuldenstands bewerkstelligen.

Dennoch lösen diese kosmetischen Anpassungen das Grundproblem des Kommissionsvorschlags nicht: Die Kommission erhält viel zu viel politischen Entscheidungsspielraum, wieviel Schulden sie zulassen darf. Der Katalog an Ausgaben, der prinzipiell höhere Schulden erlauben könnte, ist lang und reicht von Digitalisierung über Klima- und Verteidigungspolitik bis hin zu sozialen Herausforderungen und Demographie. Damit wären Tür und Tor für die breite Schuldenfinanzierung fast aller Arten von Staatsausgaben geöffnet.
 
Auch bleiben die maximalen Fristen von sieben Jahren, in denen ein Land von der Anwendung scharfer Vorgaben befreit werden kann, viel zu lange. Sieben Jahre sind länger als eine Legislaturperiode und untergraben daher die finanzpolitische Verantwortlichkeit jeder amtierenden Regierung. Die wirklichen Anpassungslasten würden damit auf den politischen Nachfolger abgewälzt.“