Ohne Reform bleibt der Stabilitätspakt für Länder wie Italien wirkungslos

Forschung

Italiens Haushaltsdefizit soll 2019 auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt benötigt für seine Funktionsfähigkeit eine Vereinfachung der Regeln und die Etablierung eines unabhängigen Schiedsrichters. Zu dieser Empfehlung kommt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, in einer Studie zur Reform des Euro-Stabilitätspakts im Auftrag des Europäischen Parlaments.

Der Eurozone könnte im Herbst mit dem ersten Haushalt der neuen italienischen Regierung eine neue Bewährungsprobe bevorstehen. Würden die Regierungsparteien auch nur einen Teil ihrer Wahlversprechen umsetzen, dann droht ein starker Anstieg des italienischen Staatsdefizits und ein schwerer Verstoß gegen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. ZEW-Forschungsbereichsleiter Prof. Dr. Friedrich Heinemann fasst die Schlussfolgerungen der Studie zur Stabilitätspakt-Reform in folgender Weise zusammen:

„Der offizielle Leitfaden zur Interpretation des Pakts umfasst mehr als 200 Seiten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist so komplex geworden, dass ihn nur noch wenige Experten in allen Details verstehen. Diese Komplexität können populistische Regierungen in der Eurozone ausnutzen: Eine Vielzahl von Ausnahmeklauseln bieten jede Menge Argumente, um zu hohe Schuldenstände zu rechtfertigen.

Der Pakt braucht einfachere Regeln und einen unabhängigen Schiedsrichter

In der sich abzeichnenden Auseinandersetzung zwischen der Europäischen Union und Italien wird sich zudem rächen, dass die Europäische Kommission den Pakt in den vergangenen Jahren sehr großzügig ausgelegt hat. Damit der Pakt endlich funktioniert, bedarf es einer doppelten Strategie. Erstens müssen die Regeln vereinfacht werden. Derzeit besteht ein Nebeneinander vieler verschiedener Grenzwerte. Dies lädt dazu ein, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und ein Rosinenpicken unter den Grenzwerten zu betreiben. Die Konzentration auf wenige zentrale Kenngrößen wie etwa das Wachstum der Staatsausgaben und die Staatsschuldenquote wäre da ein immenser Fortschritt.

Zweitens sollte der EU-Kommission ein unabhängiger Schiedsrichter zur Seite gestellt werden. Dieser Schiedsrichter würde öffentlich überprüfen, ob die Kommission ihren Beurteilungsspielraum einhält. Mit dem ‚Europäischen Fiskalrat‘ besteht bereits eine Institution, die hierfür hohes Potenzial hätte. Dies würde die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts entschieden stärken. Ohne Reform bleibt der Stabilitätspakt wirkungslos und wird Länder wie Italien nicht davon abhalten können, den Bestand der Eurozone durch zu hohe Schulden in Gefahr zu bringen.“

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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail friedrich.heinemann@zew.de