Führen selbstgewählte Ziele zu einem geringeren Stromverbrauch?

Forschung

Es gibt viele Möglichkeiten, individuelles Verhalten in eine nachhaltigere Richtung zu lenken; ein Beispiel sind sogenannte Nudges. Als Politikintervention gedacht, können Nudges, wie selbstgewählte Ziele, Individuen zu besseren Entscheidungen verhelfen – sowohl aus privater wie auch aus gesellschaftlicher Sicht. Daher sind sie insbesondere im Umweltkontext relevant.

Eine ZEW-Studie untersucht erstmals die Effektivität von Zielen mit Blick auf die Verringerung des Stromverbrauchs von Haushalten in einem Feldexperiment, und zwar mithilfe einer App in einem Zeitraum von vier Monaten. In dieser konnten die Nutzer/innen ihren Zählerstand monatlich scannen und an das Energieversorgungsunternehmen senden. Außerdem erhielten alle Nutzer/innen Stromspartipps. Eine zufällig ausgewählte Gruppe (Treatmentgruppe) bekam zusätzlich Zugang zu einer Zielsetzungsfunktion in der App, in der sie aufgefordert wurde, sich ein Stromverbrauchsziel zu setzen. Nach Abschluss des Monats wurde diesen gemeldet, ob sie ihr Ziel erreicht oder verfehlt hatten.

Geringe Nachfrage nach der App

Trotz einer groß angelegten Marketingkampagne mit finanziellen Anreizen war die Nachfrage nach der App relativ gering und sank im Zeitverlauf. Auffällig ist, dass die Zielsetzungsfunktion im Zeitverlauf dazu führte, dass weniger Probanden/-innen die App nutzten. Dieser Trend ließ sich nur aufheben, wenn die Probanden/-innen einen zusätzlichen monetären Anreiz bekamen, wenn sie also beim Stromsparen Geld gewannen. Die Zielsetzungsfunktion wurde demnach eher als Nachteil denn als Vorteil empfunden. Gleichzeitig zeigte die Treatmentgruppe keine signifikante Senkung ihres Stromverbrauchs im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Eine Befragung unter den App-Nutzern/-innen gibt Aufschluss über mögliche Mechanismen dieser Ergebnisse: Viele der Nutzer/innen hatten bereits einen geringeren Stromverbrauch als der bundesweite Durchschnitt bei einer größeren Haushalts- und Wohnungsgröße. Auch wiesen sie keine der verhaltensökonomischen Parameter auf, welche in theoretischen Modellen die Effektivität von selbstgewählten Zielen erklären. Die geringe Nachfrage nach der Zielsetzungsfunktion sowie der nicht-signifikanten Effekte der Ziele auf den Stromverbrauch können somit mit einer nachteiligen Selektion in die Nutzergruppe der App erklärt werden. Es nahmen nur diejenigen teil, von denen keine Einsparungen durch die Zielsetzungstechnologie zu erwarten waren. Dies spiegelte sich auch in den Wohlfahrtseffekten der Stromsparziele wider. Eine Analyse des Nutzungsverhaltens zeigte, dass der/die durchschnittliche Nutzer/in bereit war, 7,41 Euro zu zahlen, um die Zielsetzungsfunktion abzuschalten. Die Studie belegt somit, dass Zielsetzungs-Nudges nur bedingt effektiv in der Reduktion des Stromverbrauchs sind. Insbesondere nährt sie auch Zweifel, dass Smartphone-Apps für die großflächige Skalierung von Energiespar-Nudges geeignet sind. Wichtig wäre es, fokussierter Personen zu gewinnen, bei denen das Setzen von Einsparzielen mit einer Reduktion des Energieverbrauchs einhergehen würde.