Ein Abitur "lohnt" sich besonders für Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien

Forschung

Das Abitur zu machen lohnt sich vor allem auch für Schülerinnen und Schüler aus eher bildungsfernen Elternhäusern. Ihr Lohn liegt im späteren Berufsleben deutlich über dem Verdienst vergleichbarer Personen aus bildungsfernen Elternhäusern, die kein Abitur gemacht haben.

Schülerinnen und Schüler, die aus einem Elternhaus kommen, in dem ein oder gar beide Elternteile einen höheren Bildungsabschluss haben, profitieren im späteren Berufsleben hinsichtlich des Lohns dagegen weniger vom Abitur. Ein Vergleich mit Arbeitnehmern ohne Abitur aus ähnlichen Elternhäusern zeigt, dass es bei der Entlohnung zwischen diesen beiden Gruppen nur geringe Unterschiede gibt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

In der Studie wurde der Einfluss des Abiturs auf die Lohnverteilung von Arbeitnehmern in den Jahren 1984 bis 2004 untersucht. In diesem Zeitraum strömten die Schüler und Schülerinnen, die am massiven Ausbau der Gymnasien in den 1960er und 1970er Jahren partizipierten auf den Arbeitsmarkt. Auf den ersten Blick hat sich der höhere Bildungsabschluss für sie gelohnt: Während die Beschäftigten mit Abitur im Durchschnitt 16,7 Jahre in Ausbildung waren und im Jahr 2004 einen Stundenlohn von 18,7 Euro hatten, befand sich die Gruppe der Beschäftigten ohne Abitur im Durchschnitt 11,5 Jahre in Ausbildung und erhielt einen Stundenlohn von 15,1 Euro. Der Stundenlohn, der aus ökonomischer Sicht als Indikator der Arbeitsproduktivität gelten kann, liegt somit im Durchschnitt für die Beschäftigten mit Abitur um 24 Prozent über dem Lohn der Beschäftigten ohne Abitur. Zudem arbeiten abhängig Beschäftigte mit Abitur im Durchschnitt pro Woche 1 Stunde und 23 Minuten länger (insgesamt 44,4 Stunden).

Bei näherer Betrachtung der Untersuchungsergebnisse wird indessen sichtbar, dass manche Abiturienten beim Lohn deutlich stärker von ihrem Bildungsabschluss profitieren als andere. Die Ursache dafür ist der unterschiedliche familiäre Hintergrund. So zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind das Gymnasium besucht und das Abitur macht, umso größer ist, je höher der Bildungsabschluss der Eltern ist. Die Arbeitnehmer mit Abitur, die im Untersuchungszeitraum von 1984 bis 2004 in der ZEW-Studie betrachtet wurden, kommen also zum überwiegenden Teil aus bildungsnahen Elternhäusern. Überraschend ist nun, dass die Lohnverteilung der Beschäftigten, die ein Abitur haben, sich nicht signifikant von der hypothetischen Lohnverteilung für den Fall unterscheidet, dass sie kein Abitur hätten. Dieses Untersuchungsergebnis deutet darauf hin, dass die Gruppe der Arbeitnehmer, die ein Gymnasium besucht haben, anscheinend auch ohne diesen Besuch bereits über eine höhere Arbeitsproduktivität und damit ein höheres Lohnpotenzial verfügten. Das wiederum deutet auf die zentrale Rolle des Elternhauses für die Entwicklung der Fähigkeiten der Kinder hin.

Im Vergleich dazu hätte das Abitur bei einer zufällig ausgewählten Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die in größerem Umfang also auch aus eher bildungsfernen Elternhäusern kommen, eine deutliche Rechtsverschiebung der gesamten Lohnverteilung zur Folge gehabt. Das deutet darauf hin, dass für zufällig ausgewählte Schülerinnen und Schüler, weil sich unter ihnen auch ein deutlich höherer Anteil an Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern befindet, das Gymnasium positive Auswirkungen auf die Löhne und damit die Produktivität im Arbeitsleben hat.

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PD Dr. Friedhelm Pfeiffer, Telefon: 0621/1235-150, E-Mail: pfeiffer@zew.de