Chinas Innovationsleistung ist weniger umfassend als häufig angenommen

Forschung

Diese Kurzexpertise markiert den Beginn einer Reihe von Veröffentlichungen des Teams um Wissenschaftler Philipp Böing, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“.

Der vierzehnte Fünfjahresplan (2021-2025) betont Innovation als die zentrale Triebfeder für Chinas zukünftige Wirtschaftsentwicklung. Das Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-Einkommen sollen sich bis zum Jahr 2035 verdoppeln. Mit Blick auf die Umsetzung seiner wirtschaftspolitischen Ziele sendet China allerdings gemischte Signale aus. Einerseits werden weiterhin marktorientierte Reformen und Öffnung hervorgehoben, andererseits sollen unter staatlicher Führung wirtschaftliche und technologische Unabhängigkeit erreicht werden. Eine neue ZEW-Kurzexpertise führt aus, wie sich bisherige wirtschaftspolitische Maßnahmen auf die chinesische Innovations- und Wirtschaftsleistung auswirken. Die vorliegende Kurzexpertise markiert den Beginn einer Reihe von Veröffentlichungen des Teams um Wissenschaftler Philipp Böing, die Forschungsergebnisse rund um Chinas Innovationstätigkeit präsentieren.

„China weist im Allgemeinen eine weniger umfassende Innovations- und Wirtschaftsleistung auf als häufig angenommen und ist derzeit noch weit entfernt vom Status eines Hocheinkommenslandes“, sagt Dr. Philipp Böing, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“. Die Kurzexpertise gibt hier Aufschluss: Nach der globalen Finanzkrise sank das Produktivitätswachstum in der chinesischen Gesamtwirtschaft um mehr als die Hälfte ab und liegt aktuell im Niveau lediglich bei einem Drittel der USA. Im verarbeitenden Gewerbe tragen weitestgehend bereits bestehende Unternehmen zu Effizienzgewinnen bei – trotzdem ist auch hier das Produktivitätswachstum insgesamt durch Fehlallokation sowie Beschränkungen bei Markteintritten und Austritten rückläufig.

Chinas Innovationspolitik ist mitunter effektiv, aber selten effizient

Die gesteigerte Innovationstätigkeit soll Chinas Wirtschaft nun effizienter machen. Weltweit trägt China mittlerweile ein Viertel zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben bei und ist sowohl bei heimischen als auch internationalen Patentanmeldungen führend. Der Anstieg vermochte den Rückgang des Produktivitätswachstums in China zwar nicht zu verhindern, hat aber wohl ein noch stärkeres Absinken abgefedert. Allerdings steht in Frage, ob sich derartige Entwicklungen auch zukünftig beobachten lassen. Durch die bisherige Absorption bestehender Ideen und Technologien nimmt nicht nur Chinas Distanz zur globalen Technologiegrenze ab, sondern auch zukünftige Forschung- und Entwicklungserträge, während derzeit Zugangsbarrieren zu ausländischer Spitzentechnologie zunehmen. Weiterhin problematische Folgen könnte eine explizit missionsorientierte Politik, ausgerichtet auf den Aufbau wirtschaftlicher und technologischer Unabhängigkeit, haben. Grund ist, dass staatliche Unterstützung häufig Schlüssel- und Prestigeprojekten, mit teilweise stärkerer Gewichtung sicherheitspolitischer als ökonomischer Erwägungen, zugutekommt. Auch kann der Staat bei seiner Auswahl von Zukunftstechnologien schlicht danebenliegen. Aus ökonomischer Sicht würde dies enorme Opportunitätskosten verursachen.

Marktorientierte Reformen als Chance für die chinesische Innovation

„Industrieländer, die einer zunehmenden Konkurrenz durch China ausgesetzt sind, sollten somit vermeiden, Chinas technologische Leistungsfähigkeit – oder sogar Überlegenheit – durch eine missionsgetriebene Agenda und nationale Champions zu begründen“, erläutert Philipp Böing. „Wenn überhaupt, deutet die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hin, dass wirtschaftliche Erfolge nicht aufgrund, sondern trotz übermäßiger staatlicher Eingriffe erzielt wurden.“ Chinas Subventionen verringern außerdem private Investitionen im eigenen Innovationssystem und lassen keine langfristigen Produktivitätszuwächse erkennen. Auch die Maßnahme der Patentunterstützung, deren Konsequenz eher einer überproportionalen Steigerung von Patentanmeldungen minderer Qualität entsprechen, lässt Böing zusammenfassen: „Chinas Innovationspolitik ist zwar mitunter effektiv, aber selten effizient.“
 
Böing plädiert daher für weitere marktorientierte Reformen, in denen er einen Vorteil sowohl für die chinesische Wirtschaft als auch für ausländische Staaten und Unternehmen sowie die Sicherstellung fairen Wettbewerbs sieht. „Aus politischer Perspektive wird die Konzeption und Umsetzung des angekündigten ‚Nationalen Mittel- und langfristigen Entwicklungsplans für Wissenschaft und Technologie 2021-2035’ Chinas zukünftige Ausrichtung im Detail signalisieren“, so Böing.

Kontakt