Fast könnte man meinen, Wohl und Wehe des Klimawandels entscheiden sich am Hambacher Forst. Die Aktionsgemeinschaft „Ende Gelände“ hat auch nach dem richterlich verfügten Rodungsstopp zur Besetzung des Tagebaus aufgefordert, und in der parallel arbeitenden Kohlekommission hat der Umweltverband BUND angekündigt, auszusteigen, wenn die Rodung nicht gestoppt würde.

Es ist gut, dass die globale Bedrohung durch den Klimawandel so fest in den Köpfen verankert ist. Der Strukturwandel weg von fossilen hin zu klimafreundlichen Energien steht zumindest in Deutschland nicht mehr zur Debatte. Das Pariser Abkommen ist unterzeichnet, die Klimaschutzziele sind in nationalen und internationalen Vereinbarungen beschlossen. Wenig hilfreich ist jedoch, wenn der Strukturwandel durch Emotionalisierung mehr blockiert als gestaltet wird. Es geht bei der Energiewende um Kosten in Billionenhöhe für Verbraucher/innen sowie um drohende Arbeitsplatzverluste. Eine kluge Sachpolitik täte not.

Die europäischen Klimaziele – eine 80- bis 95-Prozent-Reduktion von CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 1990 – sind gesellschaftlicher Konsens. In dem „Wie“ stecken die Tücken. Acatech, BDI und weitere Institutionen haben Entwicklungspfade für den Strukturwandel vorgelegt. Wenn wir es gut machen, wird dieser teuer. Bereits jetzt zahlen die Stromverbraucher/innen etwa 25 Milliarden Euro pro Jahr für die EEG-Umlage. Schätzungen gehen von Mehrkosten um die 2.000 Milliarden Euro bis 2050 aus, um die Klimaziele zu erreichen. Dies entspräche umgerechnet weiteren mehr als 60 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn wir es schlecht machen, wird es exorbitant teuer oder sogar scheitern.

Mit dem Emissionshandel für CO2-Zertifikate hat die EU ein Instrument geschaffen, das den Strukturwandel steuern kann. Energieerzeuger und energieintensive Unternehmen müssen für ihre Emissionen Zertifikate kaufen, die in begrenzter Menge angeboten werden. Diese Menge geht immer weiter zurück, zwischen 2021 bis 2030 um 2,2 Prozent jährlich. Deshalb ist es auch egal, wann genau Deutschland aus der Kohlestromerzeugung aussteigen wird. Emissionen, die nicht in Deutschland erzeugt werden, werden im europäischen Ausland erzeugt und umgekehrt. Die Gesamtmenge – fixiert durch den Emissionshandel – ist weitestgehend festgelegt. Eine zusätzliche Löschung von Zertifikaten kann, muss aber nicht mit dem Kohleausstieg einhergehen. Die Entscheidung ist in jedem Fall unabhängig davon, wann aus der Kohle ausgestiegen wird. Die Kohlekommission täte deshalb gut daran, mehr Energie darauf zu verwenden, geeignete Maßnahmen zur Begleitung des Strukturwandels zu identifizieren. Die Energiepolitik endet aber nicht in den Kohleabbaugebieten. Der Wandel hin zu einer emissionsfreien Stromerzeugung wird ohne einen massiven Ausbau der Stromnetze nicht gelingen. Eine smarte Ansiedlungspolitik für erneuerbare Energien kann zwar einen geringeren Ausbaubedarf bewirken, wie das aktuelle Sondergutachten der Monopolkommission zu Energie zeigt. Auf den Netzausbau lässt sich allerdings nicht ganz verzichten.

Damit der Strom auch in den Sektoren Wärme und Verkehr Einzug hält, sind weitere Maßnahmen nötig. An erster Stelle steht eine einheitliche und optimalerweise international koordinierte Bepreisung von klimaschädlichen CO2-Emissionen. Das EU-Emissionshandelssystem sollte deshalb die Sektoren Verkehr und Wärmeerzeugung einbeziehen. Unterstützend dazu sollte das Steuer-, Netzentgelte-, Abgaben- und Umlagensystem reformiert werden. Das System benachteiligt bisher Strom zu einseitig im Vergleich zu anderen Energieträgern wie Erdgas oder Benzin und verzögert damit die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. Parallel zu einer vernünftigen Energiepolitik sind Aufklärung, Qualifizierung der Beschäftigten in den durch die Klimapolitik schrumpfenden Industrien und Förderung von Standortalternativen notwendig, um diesen Strukturwandel gemeinsam zu stemmen. Die Emotionen um Hambach vernebeln den Blick. Die Aufgaben haben erst begonnen.

Dieser Beitrag ist zuerst am 12. November 2018 im „Handelsblatt" erschienen.