Wie zielführend ist der EU-Fiskalpakt? Signalwirkung im Kampf gegen die Verschuldung

Nachgefragt

Die EU-Regierungschefs haben sich auf einen europäischen Fiskalpakt geeinigt. Er soll helfen, die überbordende Staatsverschuldung vieler Länder im Euroraum einzudämmen. Inwiefern der Pakt tatsächlich zum Sparen anhält, erläutert Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW.

PD Dr. Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der empirischen Finanzwissenschaften. Darüber hinaus untersucht er Fragestellungen des Fiskalwettbewerbs und Föderalismus in Europa. Im Jahr 2010 wurde er an der Universität Heidelberg habilitiert und lehrt dort Volkswirtschaftslehre. Neben seinem Engagement in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften ist Heinemann unter anderem Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Europäische Integration e.V. und Mitglied im Wissenschaftlichen Direktorium des Instituts für Europäische Politik, Berlin.

Kann der Fiskalpakt die europäische Schuldenkrise lösen?

Nein, die Schuldenkrise kann nur durch eine Vielzahl von Maßnahmen in einem langwierigen Prozess zunächst eingedämmt und vielleicht in einem Jahrzehnt wirklich gelöst werden. Immerhin ist der Fiskalpakt mit seinen Vorgaben für recht harte nationale Verschuldungsgrenzen aber ein wichtiger Teilbeitrag in einem umfassenden Lösungskonzept. Er hat dabei vor allem eine Signalfunktion: Er signalisiert den Kapitalmärkten, dass Europa nun einen echten Neuanfang im Kampf gegen das Schuldenmachen versucht.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte bereits die Haushaltsdisziplin in der EU gewährleisten. Die Schuldenkrise zeigt, dass dies nicht gelungen ist. Warum kann der neue Fiskalpakt die Länder diesmal zum Sparen verpflichten?

Der Glaube, der Fiskalpakt alleine könne das Schuldenmachen beenden, ist naiv. Der Pakt hat Schwächen wie etwa die nach wie vor zu geringen Sanktionen bei Vertragsbruch. Gleichwohl ist er ein weiterer Beitrag für neue fiskalische Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt die Kapitalmärkte werden nach dem Präzedenzfall der Beteiligung privater Gläubiger ja einen erheblichen dauerhaften Disziplinierungsdruck ausüben. Wenn eine EU-Regierung ein enttäuschendes Budget vorlegt, wird sie nun immer spätestens bei  der nächsten Anleiheemission durch steigende Zinsen bestraft. Der Fiskalpakt kommt nun noch dazu. In der Summe können all diese Veränderungen für mehr Disziplin sorgen.

In Deutschland besteht weitgehend Konsens, dass gespart werden muss. Kann man aber einen Fiskalpakt – noch dazu mit einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild – Staaten überstülpen, auch wenn es dort einen solchen Konsens vielleicht nicht gibt?

Zu dieser Frage haben wir am ZEW empirische Analysen durchgeführt. In der Vergangenheit zeigt sich tatsächlich, dass insbesondere Länder Schuldengrenzen eingeführt haben, in denen ein hoher Stabilitätskonsens, gemessen an verschiedenen Indikatoren, bestanden hat. Vor diesem Hintergrund wird ein gewisses Misstrauen bestehen, ob von außen aufgezwungene Spielregeln tatsächlich ähnlich wirksam sind wie Spielregeln, denen sich ein Land aus freien Stücken unterworfen hat. Aber auch hier bieten unsere Resultate durchaus Grund zu vorsichtiger Zuversicht. Gerade in Ländern mit einem traditionell geringeren Stabilitätskonsens können Fiskalregeln die politischen Gleichgewichte verändern und auf Konsolidierung hinwirken.

Welche Erfahrungen gibt es mit Blick auf einen Fiskalpakt wie ihn die EU nun einführen möchte?

Der Fiskalpakt schreibt vor, dass alle Unterzeichner-Staaten nun nationale Schuldenbremsen einführen, die maximal nur noch ein strukturelles Defizit von 0,5 Prozent des BIP zulassen. Die Erfahrung lehrt, dass die Politik bei solchen Regeln immer wieder sehr kreativ in Sachen Bilanzkosmetik ist. Hier wird es darauf ankommen, für Transparenz zu sorgen, um solche Buchungstricks schnell identifizieren zu können. Von Bedeutung wird aber sein, dass Europa die neuen Anreize für verantwortliche Budgetpolitik nicht durch eine Ausweitung von Garantien untergräbt. Aus dem deutschen Föderalsystem wissen wir, wie verheerend die Anreize umfassender Beistandsgarantien sind. Garantiekonstruktionen mit gesamtschuldnerischer Haftung ("Eurobonds") müssen daher weiterhin ausgeschlossen bleiben.