Über die Schwierigkeiten zuverlässiger Konjunkturprognosen - Das Konjunkturtal scheint erreicht

Nachgefragt

Dr. Marcus Kappler, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe "Wachstums- und Konjunkturanalysen" am ZEW erklärt, warum es in der Krise so schwer ist, die konjunkturelle Entwicklung von Volkswirtschaften richtig zu prognostizieren.

Dr. Marcus Kappler, Jahrgang 1973, promovierte nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre im Jahr 2007 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit 2002 am ZEW beschäftigt, ist Kappler stellvertretender Leiter der ZEW-Forschungsgruppe "Wachstums- und Konjunkturanalysen". In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit der Genauigkeit von Konjunkturprognosen, der strukturellen Arbeitslosigkeit sowie den Einflussfaktoren des Produktionspotenzials.

Warum lagen die Wachstumsprognosen in der Wirtschaftskrise immer wieder falsch?

Die Prognostiker tun sich schwer mit der Vorhersage von Extremereignissen, wie es etwa die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise ist. Die eingesetzten Modelle erklären die Welt aus der Erfahrung der Vergangenheit. Treten dann Ereignissen ein, die außerhalb der bisherigen Erfahrungswelt liegen oder die so selten vorkommen, dass sie für Vorhersagemodelle praktisch keine Rolle spielen, versagen auch die aufwändigsten Prognosemodelle. Um eine Analogie zu verwenden: Kein Meteorologe kann exakt Zeitpunkt, Verlauf und Stärke eines Wirbelsturms vorhersagen. Hat dieser sich aber gebildet, ist es umso wichtiger, laufend die aktuelle Windgeschwindigkeit, Richtung, etc. zu prognostizieren. Ähnliches gilt für die Konjunkturprognostiker. Nach dem Ausbruch der Krise haben sie laufend ihre Vorhersagen an den aktuellen Informationsstand angepasst. Deshalb haben sich die Prognosen bezüglich des Rückgangs der Wirtschaftsleistung binnen eines halben Jahres von etwa minus 2,2 Prozent auf nun circa minus sechs Prozent entwickelt.

Die Gemeinschaftsdiagnose mehrere Forschungsinstitute erwartet einen Wachstumsrückgang der deutschen Wirtschaftsleistung von sechs Prozent in diesem Jahr. Ist damit wirklich der Tiefstand erreicht?

Es spricht einiges dafür, dass wir das Konjunkturtal nun erreicht haben. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stabilisiert sich allmählich. Die Impulse der Konjunkturpakete machen sich langsam bemerkbar, auch belebt sich die Bestelltätigkeit in der Industrie. Die schwache Preisentwicklung entfaltet über die positive Wirkung auf die Realeinkommen einen zusätzlichen Stimulus. Die Schrumpfung der Jahreswachstumsrate für 2009 um sechs Prozent ergibt sich fast ausschließlich durch den drastischen Wirtschaftseinbruch, den wir im ersten Quartal des Jahres erlebt haben. Selbst wenn das Bruttoinlandsprodukt ab dem zweiten Quartal "nur noch" stagnieren würde, ergibt sich rein rechnerisch ein Einbruch von 5,8 Prozent. An dieser einfachen Arithmetik ist zu erkennen, dass in den aktuellen Konjunkturprognosen kein weiterer drastischer Rückgang der Wirtschaftleistung über die kommenden Quartale eingepreist ist.

Frühindikatoren wie etwa die ZEW Konjunkturerwartungen oder auch das Ifo Geschäftsklima signalisieren seit geraumer Zeit, dass die Konjunktur im nächsten halben Jahr wieder anspringen wird. Geht es zum Jahresende tatsächlich wieder bergauf?

Tatsächlich geht dieses Signal seit einiger Zeit von vielen konjunkturellen Frühindikatoren aus. Dabei stützt sich der zaghafte Optimismus aber auch auf "harte" Konjunkturdaten: Die Auftragseingänge in der Industrie sind nun drei Monaten in Folge gestiegen, auch die Exporttätigkeit hat sich zuletzt leicht erholt, die Auslandbestellungen in der Industries sind kräftig gestiegen. Die Weltwirtschaft scheint wieder in ruhigeres Fahrwasser zu geraten, so dass ein Überwinden der Rezession noch in diesem Jahr möglich ist.