Private Maßnahmen zur Absicherung gegen Folgen des Klimawandels

Forschung

Leichter gesagt als getan

Die Studie des ZEW und der Freien Universität Amsterdam zeigt, dass die Haushalte, die schon von Schäden aufgrund des Klimawandels betroffen waren, eher vorsorgen als die, die bisher keine Schäden erlitten haben.

Nach den verheerenden Extremwetter-Ereignissen der letzten Jahre wollen sich viele Bürger/innen durch bauliche Maßnahmen gegen Folgen des Klimawandels absichern, sei es gegen Hochwasser oder extreme Hitze. Doch oftmals bleibt es bei der guten Absicht. Wie groß ist die Lücke zwischen Wollen und Tun tatsächlich? Gibt es Unterschiede zwischen den Personen, die diese Vorhaben durchführen, und denjenigen, bei denen es beim Lippenbekenntnis bleibt? Und wie hängt die Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen mit der Lebenszufriedenheit zusammen? Eine aktuelle Analyse des ZEW Mannheim gibt Antworten.

Um sich gegen Folgen des Klimawandels – wie Hochwasser oder extreme Hitze – abzusichern, können Bürger/innen eine Reihe von Maßnahmen treffen. Sie können beispielsweise zur Hochwasservorsorge ein Rückstauventil im Keller ihres Hauses einbauen oder das Hausdach begrünen, um die Raumtemperatur in heißen Sommern zu senken. Oftmals bleibt es jedoch bei der guten Absicht und die entsprechenden Maßnahmen werden niemals umgesetzt. Diese Diskrepanz zwischen guter Absicht und tatsächlichem Verhalten, die sogenannte Intentions-Verhaltens-Lücke (Intention-Behaviour Gap), haben Wissenschaftler vom ZEW Mannheim und der Freien Universität Amsterdam näher untersucht. Die Analyse beruht auf Daten der Panelerhebung „Green SOEP“. Betrachtet werden knapp 5.200 Haushalte in Deutschland, die an mindestens zwei der drei Umfragewellen in den Jahren 2012, 2014 und 2020 teilnahmen. Unter anderem wurde in diesen Jahren abgefragt, welche der folgenden Maßnahmen die Haushalte gegen Hochwasser sowie extreme Hitze umgesetzt hatten: erhöhte Lagerung von Wertgegenständen, Einbau von Rückstauventilen, Wasserbarrieren an Kellerfenstern und -türen, wasserfeste Innenanstriche, wasserfeste Außenanstriche und wasserfeste Bodenbeläge (Hochwasser) sowie Anschaffung von Ventilatoren, Klimaanlagen, Wärmeschutzfolien und Einrichtung von begrünten Dächern (Hitze).

Allgemeine Dokumente

The Intention-Behavior Gap in Climate Change Adaptation

Wer bereits einen Schaden hatte, sorgt eher vor

Die Ergebnisse der ZEW-Studie zeigen, dass es im Untersuchungszeitraum eine erhebliche Diskrepanz zwischen Absichtsbekundungen und Umsetzung der genannten Maßnahmen gibt. Die Intentions-Verhaltens-Lücke ist also groß. „Die befragten Haushalte setzten beim Hochwasserschutz im Durchschnitt lediglich 25 Prozent der beabsichtigten Vorhaben um. Beim Hitzeschutz lag der Prozentsatz der tatsächlich realisierten Maßnahmen mit 13 Prozent sogar noch darunter“, sagt Prof. Dr. Martin Kesternich, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Umwelt- und Klimaökonomik und einer der Autoren der Studie. Weiterhin legt die ZEW-Analyse nahe, dass Schadenserfahrungen – insbesondere durch Hochwasser – eher zu Taten führen. „War ein Haushalt einmal konkret von Hochwasser betroffen, verfolgen sie eher ihre Anpassungsabsichten als nicht betroffene Haushalte. Bei diesen Haushalten ist Lücke zwischen Absicht und Verhalten geringer“, ergänzt  ZEW-Ko-Autor Dr. Daniel Osberghaus. Andere mögliche Erklärungsfaktoren, wie etwa die wahrgenommene Selbstwirksamkeit, erklären hingegen kaum die Größe des Intention-Behaviour Gap. Die ZEW-Studie zeigt somit, dass Analysen auf Basis von reinen Absichtserklärungen privater Haushalte mit Vorsicht interpretiert werden müssen. Insbesondere sollten politische Schlussfolgerungen nicht allein aus den erhobenen Daten über beabsichtigte Vorhaben abgeleitet werden.

Das ungute Gefühl, „umsonst“ vorgesorgt zu haben

Als einen möglichen Faktor, der die Lücke zwischen Absicht und Verhalten beeinflussen kann, untersucht die ZEW-Studie den Effekt des antizipierten Bedauerns (anticipated regret). Dieses Gefühl kann entstehen, wenn ein Haushalt zwar vorsorgliche Maßnahmen umsetzt, anschließend jedoch das Gefühl hat, „umsonst“ investiert zu haben, da extreme Wetterereignisse vorerst nicht eintreten. In einigen Fällen kann sich dieses Phänomen dann sogar in einer geringeren wahrgenommenen Lebenszufriedenheit widerspiegeln. Daher neigen viele Menschen dazu, solche Situationen zu vermeiden. „Antizipiertes Bedauern spiegelt sich durchaus für einige Haushalte in unseren Daten wider“, so Kesternich: „Befragungsteilnehmer/innen, die ihre Vorsätze erfolgreich umgesetzt hatten, bevor sie von einer Naturkatastrophe betroffen waren, weisen in unseren Daten die höchste Lebenszufriedenheit auf. Hingegen sind die Personen am unzufriedensten, die zwar Vorsorge gegen extreme Klimaereignisse getroffen haben, aber bisher keine Situation erlebt haben, in denen diese Maßnahmen Schaden verhindert haben.“

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