Ohne weitere Bildung können nur wenige Geflüchtete schnell in den Arbeitsmarkt einsteigen

Nachgefragt

Die starke Zuwanderung von Geflüchteten im Jahr 2015 nach Deutschland stellt die Gesellschaft vor die große Herausforderung, die Migranten/-innen auch zu integrieren. Wissenschaftler/innen des ZEW haben den Integrationsprozess einer Gruppe von Geflüchteten untersucht, die an dem inklusiven Fußballprojekt „HEIMSTÄRKE“ teilgenommen haben, das sich für die Integration der Geflüchteten in Gesellschaft und Arbeitsmarkt durch Sport einsetzt. ZEW-Bildungsökonom Friedhelm Pfeiffer spricht über die Forschungsergebnisse und mögliche Handlungsempfehlungen an die Politik und die Geflüchteten selbst, die sich daraus ableiten lassen.

Hilft Sport beziehungsweise Fußball bei der Integration von Geflüchteten?

Nach unseren Untersuchungen schon, wenn auch mit Einschränkungen. Wir haben in Kooperation mit dem Fußballprojekt „HEIMSTÄRKE“ des Vereins „Anpfiff ins Leben e.V.“ eine wissenschaftliche Studie durchgeführt als Teil des Reallabors Asylsuchende in der Rhein-Neckar-Region. Da an dem Fußballprojekt ausschließlich junge Männer teilgenommen haben, lassen sich die Forschungsergebnisse nur bedingt verallgemeinern. Jedoch kann man die Resultate in dem Sinne auf einen Nenner bringen, dass gemeinsame sportliche Aktivitäten integrationsfördernd sein können. Die meisten Teilnehmer haben sich eine Ausdehnung des Fußballprojekts gewünscht und hätten gerne mehr als zwei Stunden pro Woche mitgemacht.

Was wissen wir aus sozioökonomischer Sicht über die Menschen, die zu uns kommen?

Wir haben Befragungen unter den Teilnehmern an drei Fußballkursen in Wiesloch, Walldorf und Sinsheim sowie einer weiteren Gruppe von nicht an diesen Kursen teilnehmenden Geflüchteten durchgeführt. Basierend auf den Auswertungen lässt sich von kurzfristigen positiven Integrationswirkungen sprechen. Die Mehrzahl der 81 jungen Männer, die an der Befragung teilgenommen haben, gab an, aus Afghanistan, Syrien, Irak oder Gambia zu stammen und seit neun Monaten in Deutschland zu sein. Sie waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 23 Jahre alt, haben neun Jahre in einer Schule oder Ausbildung verbracht, und berichteten über fünf Jahre Arbeitserfahrung in ihrem Heimatland. 77 Prozent der Befragten gaben an, über das Mittelmeer nach Deutschland gekommen zu sein. Die Kosten der Flucht betrugen etwa 4.900 Euro pro Kopf. Aus der Höhe dieser Kosten kann man schließen, dass viele der jungen Geflüchteten aus relativ guten Familienumgebungen in ihren Heimatländern stammen.

Was kann der hiesige Arbeitsmarkt von den Geflüchteten erwarten?

Die Ergebnisse unserer Befragung lassen sich nicht verallgemeinern. Erhebungen für Deutschland deuten aber darauf hin, dass knapp ein Fünftel der Asylsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 Männer in der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren waren – die Altersgruppe, die wir auch untersucht haben. Die bisherigen Forschungen deuten darauf hin, dass die Geflüchteten im Vergleich zu ihren Heimatländern in der Mehrzahl überdurchschnittlich gut ausgebildet sind, im Vergleich zu Deutschland jedoch noch weit unter dem Durchschnitt liegen. Die Zahlen belegen zudem eine erhebliche Variation in der Bildung, die von nahezu null bis zu einer akademischen Ausbildung reicht. Dies bedeutet kurzfristig für den Arbeitsmarkt in Deutschland, dass nur ein relativ geringer Prozentsatz ohne weitere Bildungsanstrengungen schnell integriert werden kann. Die Mehrzahl insbesondere der jungen Geflüchteten ist wahrscheinlich gut beraten, sofern sie in Deutschland bleiben wollen, in die eigene Bildung zu investieren und dazu Förderangebote zu nutzen. Gelingt das, kann der Arbeitsmarkt mittelfristig profitieren.

Die Gegenperspektive: Welche Erwartungen haben Geflüchtete an den Arbeitsmarkt in Deutschland und Europa?

Die im Rahmen des Reallabors Asylsuchende in der Rhein-Neckar-Region befragten jungen Geflüchteten sind in aller Regel sehr optimistisch, in Deutschland eine Arbeit zu finden. Sie haben schon Arbeitserfahrungen in ihrem Heimatland gesammelt und gehen davon aus, dass sie hier etwa zehn bis elf Euro pro Stunde verdienen werden. Diese Erwartungen scheinen aus meiner Sicht nicht unrealistisch zu sein, insbesondere dann nicht, wenn es den Geflüchteten gelingt, mit der nötigen Ausdauer und Geduld an ihrer Integration in eine moderne, offene Volkswirtschaft mitzuwirken.