„Nicht alle jungen Unternehmen können überleben“

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonom Jürgen Egeln

ZEW-Ökonom Jürgen Egeln, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovationsökonomik und Innovationsdynamik am ZEW Mannheim, spricht im Interview über junge Unternehmen in der Corona-Krise.

Die Corona-Pandemie hat in Deutschland die schwerste Rezession der Nachkriegszeit ausgelöst. Viele Unternehmen halten sich mit staatlichen Hilfen über Wasser. Besonders schwer trifft es junge, wenig etablierte Unternehmen wie Start-ups.

Jürgen Egeln, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovationsökonomik und Innovationsdynamik am ZEW Mannheim, erklärt im Interview, wie junge Unternehmen laut Erkenntnissen des IAB/ZEW-Gründungspanels durch die Krise kommen.

Sind hauptsächlich jüngere Unternehmen durch die Corona-Krise in Schieflage geraten?

Bei der grundsätzlichen Betroffenheit unterscheiden sich etablierte Unternehmen und junge Unternehmen kaum. Etwa 70 Prozent aller Unternehmen sind im Moment negativ durch die Corona-Pandemie betroffen. Ungefähr 20 Prozent werden weder negativ noch positiv beeinflusst, während zehn Prozent bislang positiv durch die Krise kamen. Dies ist bei jungen und bei älteren Unternehmen so. Allerdings zeigen sich Unterschiede bei der Intensität der Betroffenheit: Junge Unternehmen weisen höhere Anteile von „sehr stark“ oder „stark“ betroffenen Unternehmen auf als etablierte. Das gilt für negativ betroffene, aber auch für Unternehmen, die durch die Krise positive Auswirkungen verzeichnen. Bei jungen Unternehmen findet also eine stärkere Polarisierung der Auswirkungen statt als bei etablierten.

Wieso sind gerade junge Unternehmen häufiger den Aus­wirkungen ausgesetzt?

Bei jungen, und insbesondere innovativen, Unternehmen ist es generell unsicher, ob sie sich etablieren. Selbst unter Hochkonjunkturbedingungen verlassen viele nach kurzer Zeit wieder den Markt. Insbesondere bei konsumnahen Dienstleistungen oder im Handel ist die Fluktuation sehr hoch. Oftmals gibt es kein finanzielles Schutzpolster oder eine Stammkundschaft. Hersteller von in der Corona-Pandemie besonders nachgefragten Produkten wie Atemschutzmasken oder Desinfektionsmitteln kamen bislang positiver durch die Corona-Krise. Stark negativ betroffen waren dagegen konsumnahe und kreative Dienstleistungen, insbesondere Kulturschaffende und Freiberufler. 

Und wie reagieren junge Unternehmen auf die Krise?

Wie in vorherigen Krisensituationen erfolgt eine typische Anpassung: Prozesse werden hinterfragt und angeglichen. Ungefähr ein Drittel der jungen Unternehmen überdenkt seine Innovationsstrategie. Sie verändern zum Beispiel die Prozesse, mit denen sie die Innovationen, an denen sie arbeiteten, ­weiterführen können. Ein Viertel der Unternehmen orientiert sich geografisch um in andere Absatzmärkte. Dann gibt es noch die Möglichkeit, die eigene Produktpalette zu verändern. Ein gutes Beispiel sind die Schnapsbrennereien, die Alkohol destillieren, um damit Desinfektionsmittel herzustellen. Allerdings führen diese Angebotsveränderungen im Aggregat kaum zu nennenswerten Effekten, zumindest nicht bis zum Befragungszeitpunkt im Mai. Das sind momentan Strategien, um die Krisenzeit zu über­brücken. Für längerfristige Erkenntnisse müssen wir allerdings die zweite Befragungswelle jetzt im Herbst abwarten.

Was kann die Politik tun, um junge Unternehmen während der Corona-Pandemie zu unterstützen?

Hierfür gibt es keine generell gültigen Konzepte. Unter normalen Umständen verlassen, je nach Branche, ein Viertel bis die Hälfte der jungen Unternehmen den Markt nach kurzer Zeit wieder. Aus ökonomischer Sicht ist es natürlich unbefriedigend, alle jungen Unternehmen mit der Gießkanne zu fördern und sie nur so am Leben zu erhalten. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Unternehmen zu identifizieren, die gute Konzepte haben. Das sind beispielsweise sehr innovative Unternehmen in Hochtechnologiebranchen, die an neuem Wissen arbeiten und technologischen Fortschritt in die Wirtschaft bringen. Müssen sie den Markt verlassen, geht Wissen verloren, dass nicht so einfach durch eine spätere Neugründung wieder reaktiviert werden kann. Es ist auf jeden Fall richtig, dass die Bundesregierung solche Start-ups unterstützt. Liquiditätsprobleme dieser Unternehmen können etwa über eine entsprechende Ko-Finanzierung von Wagniskapital oder anderen Finanzierungsformen gemildert werden.

Bei Nachfragerückgängen oder logistischen Problemen durch steigende Coronazahlen kann die Wirtschaftspolitik wenig machen. Im Allgemeinen gilt es, jungen hoch innovativen Unternehmen zu ermöglichen, weiterzuarbeiten. In anderen Wirtschaftsbereichen, wo die Fluktuation der Unternehmen auch in guten Zeiten hoch ist und wo durch den Dienstleistungscharakter der Leistungen auch keine Möglichkeit besteht, dass die ausgefallene Nachfrage später nachgeholt wird, sieht es etwas anders aus. Aus Wettbewerbsgründen können nicht alle diese Unternehmen gerettet werden. Allerdings ist aus regionalpolitischer Sicht eine mögliche Verringerung der Attraktivität der Innenstädte sowie der allgemeinen Lebensqualität durch eine Insolvenzwelle bei solchen Unternehmen natürlich doch bedeutend.

Dieses Projekt wurde vom EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon 2020 im Rahmen der Zuschussvereinbarung Nr. 82278 finanziert.

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