Günstige Energie wird auch zukünftig kein Standortvorteil sein

Standpunkt

Standpunkt des ZEW-Präsidenten Achim Wambach

ZEW-Präsident Achim Wambach erklärt, dass die Kosten der Energiewende nicht ausufern dürfen und sieht Handlungsbedarf in der Politik.

Deutschland hat ambitionierte Pläne für die Energiewende. Fossile Energieträger sollen durch Strom ersetzt werden, und der Strom soll durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Heute beträgt der Stromanteil am Energieverbrauch gut 20 Prozent. Bis 2030 soll der Strombedarf bereits deutlich zulegen: Mehr Autos fahren dann batteriebetrieben statt mit Benzin, geheizt wird häufiger mit strombetriebenen Wärmepumpen statt mit Gasheizungen. Heute wird gut die Hälfte des Stroms mit erneuerbaren Energien produziert, bis 2030 sollen es 80 Prozent sein, wohlgemerkt bei einem dann schon höheren Stromverbrauch.

Wenn dann die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, müssen im ausreichenden Maße Stromspeicher, Stromimporte aus dem Ausland, oder mit grünem Wasserstoff betriebene Kraftwerke einspringen.

Deutschland hat ein massives Investitionsprogramm vor sich: Allein für den Bau von Wind- und Solarkraftwerken sowie für den Ausbau des Stromnetzes schätzt das Energiewirtschaftliche Institut der Universität zu Köln einen Investitionsbedarf bis 2030 von jährlich etwa 50 Milliarden Euro. Dazu kommen noch unter anderem die Wasserstoffnetze, die für den Import und die Verteilung von grünem Wasserstoff benötigt werden.

Was bedeutet das für den Strompreis?

Strom wird in Deutschland zumindest im internationalen Vergleich nicht richtig günstig sein. Deutschland hat nicht die meisten Sonnentage und nicht die besten Windvoraussetzungen. Nicht ohne Grund gehen die meisten Studien davon aus, dass zukünftig grüner Wasserstoff wird importiert werden müssen; aus Ländern, die günstigere Bedingungen für dessen Erzeugung haben, zum Beispiel viele Sonnentage.

Die fossilen Brennträger - Gas, Kohle und Öl - werden dann teurer sein. Deutschland hat einen Emissionshandel für Brennstoffe bei der Wärmeerzeugung und im Verkehr eingeführt. Die EU wird für diese Sparten in 2027 nachziehen, für andere Sektoren wie Industrie oder Stromerzeugung gibt es bereits einen solchen Handel. Simulationen schätzen, dass der damit einhergehende Preis Werte um 200 Euro pro Tonne CO2 erreichen kann. Das würde bedeuten, dass Benzin 60 Cent pro Liter teurer wird, die Heizkosten einer vierköpfigen Familie mit Gasheizung erhöhen sich um 1000 Euro pro Jahr.

Auch wenn es nicht soweit kommen sollte - der deutsche Zertifikatpreis etwa ist bei 65 Euro pro Tonne CO2 gedeckelt -, von einem Preisanstieg bei Benzin, Diesel und Heizkosten ist auszugehen. Und das geschieht aus gutem Grund: Durch den Emissionshandel bekommt klimaschädliches Verhalten einen Preis. Der teure Preis der fossilen Energieträger fördert den Umstieg auf elektrisch betriebene Fahrzeuge und Heizungen. Die Einnahmen des Emissionshandels können im Gegenzug genutzt werden, die negativen Folgen eines solchen Preisanstieges sozial und wirtschaftlich abzufedern.

Der Netzausbau muss beschleunigt werden

Klar ist jedenfalls: Wir brauchen sehr viel mehr Strom aus erneuerbaren Energien, und der Ausbau sollte so effizient wie möglich erfolgen. Unnötige Kosten sind zu vermeiden. Da lässt sich einiges tun. Studien sehen den Großhandelspreis in 2030 zwischen 50 und 130 Euro pro Megawattstunde. 2020 lag er bei 30 Euro. Die zugrundeliegenden Szenarien unterstellen dabei Unterschiede in der Gaspreisentwicklung, Fortschritte in der Elektrifizierung sowie die Einhaltung des im EEG 2023 festgeschriebenen Ausbaus der Erneuerbaren Energien.

Es gibt eine Reihe von weiteren Stellhebeln, die genutzt werden sollten, um die Kosten nicht ausufern zu lassen. Der Netzausbau muss beschleunigt werden, um Strom aus den windreichen Gegenden auch dahin transportieren zu können, wo er gebraucht wird. Ansonsten müssen teure konventionelle Kraftwerke einspringen. Zusätzliche Kosten beim Netzausbau wie etwa durch die Erdverkabelung sind zu vermeiden. Die Einführung regionaler Strompreise wird notwendig, um Anreize zum Stromverbrauch beziehungsweise zur -drosselung an den richtigen Orten zu geben.

Wer zeitlich flexibel ist, lädt dann sein E-Fahrzeug zu einer Tageszeit, wenn der Strom billig ist. Technologieoffene Kapazitätsmärkte sollten geschaffen werden, um Versorgungssicherheit zu günstigen Preisen zu ermöglichen. Die Regierung plant zwar derzeit die Ausschreibung von wasserstofffähigen Gaskraftwerken, die bereitstehen sollen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Das wird aber nicht ausreichen. Außerdem können Stromspeicher und flexible Stromnachfrager ihren Teil dazu beitragen, damit es nicht zu Situationen mit zu wenig Stromangebot bei zu hoher Stromnachfrage kommt. Sogenannte Kapazitätsmärkte können dafür die richtigen Anreize geben.

Insbesondere der Windausbau an Land und der Netzausbau liegen hinter dem Zeitplan

Der Bundesrechnungshof hat in seiner aktuellen Studie auf die hohen Kosten und die Risiken bei der Energiewende hingewiesen. Insbesondere der Windausbau an Land und der Netzausbau liegen hinter dem Zeitplan. Die Kosten für das Netzengpassmanagement würden weiter ansteigen. In seiner Stellungnahme zum Bericht hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz betont, dass die Ausbaudynamik erhöht werden müsse.

Aber auch das Risikomanagement sollte mehr Beachtung finden: Bei dem Ausstieg aus der Kohleenergie und dem Rückbau der Gasnetze müssen ausreichend Sicherheitspuffer verbleiben, damit auch bei geringer Ausbaudynamik Versorgungssicherheit gewährleistet ist und Stromkosten nicht zu stark steigen.

Die Energiewende ist eine gewaltige Aufgabe; höhere Kosten für Energie sind unvermeidlich. Haushalte werden sich früher oder später „elektrifizieren“, also auf E-Fahrzeuge und Wärmepumpen beziehungsweise Fernwärme umsteigen. Verbrennerautos und Gasheizungen werden teurer werden. Förderprogramme und Sozialprogramme werden gebraucht, um hohe Belastungen insbesondere für ärmere Haushalte zu vermeiden.

Energieintensive Unternehmen werden überlegen müssen, ob sie Teile der Produktion, insbesondere die mit geringer Wertschöpfung, dorthin verlagern, wo Energiekosten niedriger sind. Deutschlands Stärke war es nie, ein Billigproduzent zu sein. Die Sektoren, auch die der energieintensiven Industrie, die sich durch hohe Innovationskraft und Erfindergeist auszeichnen und damit ihr Geld auf den Weltmärkten verdienen, werden dies auch zukünftig von Deutschland aus machen. Zumindest dann, wenn die Kosten der Energiewende nicht ausufern und der Investitionsstandort Deutschland ansonsten attraktiv bleibt. Bei beidem ist die Politik gefordert.

Dieser Standpunkt erschien zuerst am 19. März 2024 im Mannheimer Morgen als Gastbeitrag [€].