Das ist ein zentraler Schritt hin zu mehr Rententransparenz und mehr Überblick

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonomin Prof. Dr. Bucher-Koenen

Prof. Dr. Bucher-Koenen, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“ erklärt, was die digitale Rentenübersicht leistet.

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer digitalen Rentenübersicht verabschiedet. Unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung soll dazu ein Informationsportal aufgebaut werden, das alle drei Säulen der Altersvorsorge - gesetzlich, betrieblich und privat - umfasst. Dort soll ersichtlich sein, wie viel Geld man bereits gespart hat und mit welcher Rentenhöhe man etwa rechnen kann. Im Interview spricht ZEW-Ökonomin Professor Tabea Bucher-Koenen darüber, warum eine solche digitale Rentenübersicht wichtig ist und wie sie bei der Altersvorsorge helfen kann.

Was genau kann man sich unter einer digitalen Rentenübersicht vorstellen?

Eine Digitale Rentenübersicht erlaubt es Menschen, einen Überblick über die Einkommen aus verschiedenen Altersvorsorgequellen zu bekommen. Sie soll ermöglichen, dass Leute einfach und schnell einen Überblick darüber bekommen, welche Ansprüche sie zum Beispiel in der gesetzlichen oder in verschiedenen privaten und betrieblichen Altersvorsorgeverträgen erworben haben. Diese Ansprüche werden gemeinsam dargestellt und zusammenaddiert. Zwar versenden die Anbieter auch heute schon Standmitteilungen per Post. Aber ich glaube, die wenigsten Menschen haben ein System dahinter oder tragen die Zahlen in eine säuberlich sortierte Excel-Tabelle ein, sodass sie immer einen Überblick haben. Das Ziel der Digitalen Rentenübersicht ist, einen Überblick zu geben. Und zwar von einer neutralen Stelle, die all die verschiedenen Ansprüche zusammenträgt und übersichtlich auf einer Seite darstellt.

Worauf kommt es langfristig bei der digitalen Rentenübersicht an?

Im Moment konzentriert sich dieser Gesetzesvorschlag auf die versicherungsnahen Produkte. Der wichtige nächste Schritt ist, dass man diesen Überblick so allgemein und flexibel gestaltet, dass die Menschen die Informationen in Apps von anderen Anbietern übertragen können, die ihnen dann eine individuelle Anpassung erlauben. Zum Beispiel könnte es sein, dass man das Aktiendepot miteinbeziehen will. In der digitalen Rentenübersicht, die von der Rentenversicherung angeboten werden soll, wäre das nicht möglich. Ich muss also frei sein, als Endnutzerin meine Daten aus der digitalen Rentenplattform, die vom Staat angeboten wird, mitzunehmen und in einen anderen Kontext einzubetten. Zentral ist aus meiner Sicht außerdem, dass Leute, die ein bisschen tiefer einsteigen wollen, die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Parameter zu setzen. Ich glaube, man braucht die Möglichkeit, damit herumzuspielen und zu sehen, was passiert, wenn ich jetzt noch einen Sparvertrag abschließe und 50 Euro im Monat zusätzlich zurücklege. Oder wenn ich ein Jahr früher oder später in Rente gehe.

Sie waren an einer Studie zum Thema Rentenübersicht beteiligt. Was haben Sie herausgefunden?

Wir haben in Kooperation mit der Goethe-Universität in Frankfurt und zwei Banken eine Studie durchgeführt. Dazu haben wir ein Altersvorsorgecockpit programmiert und Freiwilligen aus dem Kundenpool dieser Banken angeboten, einen Rentenüberblick für sie zu erstellen. Das Interesse an dem Thema war unglaublich groß. Zuerst haben wir die Leute zu einem kleinen Fragebogen zum Thema Altersvorsorge eingeladen. Danach haben wir sie gebeten, sich für die App zu registrieren und die Informationen aus ihren Standmitteilungen manuell einzupflegen oder uns zuzuschicken. Die erste Erkenntnis aus diesem Experiment war, dass ein Rentencockpit automatisch sein muss, weil es einfach viel zu aufwendig ist, die Zahlen manuell einzugeben. Die zweite Erkenntnis war, dass unglaublich viele Leute abgebrochen haben. Es war eine riesengroße Hürde, uns überhaupt die Information bereitzustellen, die wir brauchten, damit wir die Cockpits erstellen konnten. Ich glaube, wenn man den Leuten die Altersvorsorgeplanung erleichtern will, dann muss man unglaublich weit unten anfangen und die Anfangskosten möglichst gering halten. Je einfacher das ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute sich das angucken und tatsächlich auch Nutzen daraus ziehen.

Haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie ihr Verhalten verändert?

Wir haben festgestellt, dass die Leute die Informationen sehr hilfreich fanden. Sie haben sich im Nachhinein besser informiert gefühlt als vorher. Außerdem haben wir herausgefunden, dass insbesondere Personen, die vorher eher geringeres Finanzwissen hatten, im Nachhinein ihr Sparverhalten eher angepasst haben. In den folgenden Monaten konnten wir sehen, dass Personen, die sich am Anfang wenig informiert gefühlt hatten, nach der Teilnahme angaben, dass sie ihr Altersvorsorgeverhalten angepasst haben mehr für die Altersvorsorge zurücklegen als zuvor.

Ist die digitale Rentenübersicht für Menschen mit geringem Finanzwissen besonders hilfreich?

Das ist die große Hoffnung. Aber dazu muss man bei ihnen erst einmal das Interesse und die Bereitschaft wecken, sich auf so ein Tool einzulassen. Aus meiner Sicht herrscht hier ein riesengroßer Forschungsbedarf. Wenn man den Zusammenhang zwischen finanzieller Bildung und privater Altersvorsorge betrachtet, dann sieht man, dass Personen mit niedrigerer Finanzbildung im Durchschnitt auch weniger für ihr Alter planen. Sie haben auch seltener private Altersvorsorgeverträge und leisten mit geringerer Wahrscheinlichkeit eigene Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge. Ich denke, bei der Planung der digitalen Rentenübersicht kommt es darauf an, dass es nicht nur ein Tool für die Leute wird, die sowieso schon Interesse an dem Thema haben. Sondern man muss auch überlegen, wie man sie Leuten zugänglich machen kann, die eine weniger starke Affinität zu Finanzthemen haben. Da gilt es zu überlegen, mit welchen Instrumenten man auf diese Leute zugehen kann, damit sie sich von dieser Flut an Informationen und der Komplexität des Themas nicht abgeschreckt fühlen. Ich denke, das ist eine große Herausforderung.