Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die deutschen Immobilienmärkte - Auch im deutschen Immobilienmarkt wird die Krise Spuren hinterlassen

Nachgefragt

Seit dem Platzen der Immobilienblase in den Vereinigten Staaten sind dort - wie nachfolgend auch in einigen europäischen Ländern - die Häuserpreise ins Bodenlose gefallen. Dadurch wurde Vermögen in großem Umfang vernichtet. Die Folgen - Kreditausfälle und Konsumrückgang - sind die Ursache für die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die wiederum die Probleme an den Immobilienmärkten verstärkt. Dr. Peter Westerheide, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" am ZEW, betrachtet die Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes in Zeiten der Krise.

In Deutschland sind die Immobilienpreise bisher nicht eingebrochen. Geht die Finanzmarktkrise am deutschen Immobilienmarkt also spurlos vorbei?

Nein. Richtig ist, dass wir am deutschen Markt in den vergangenen Jahren keinen starken Preisanstieg wie in vielen anderen Ländern, sondern im Gegenteil vielfach sogar reale Preisrückgänge gesehen haben. Eine Immobilienblase hat es bei uns nicht gegeben. Insofern gibt es hier nun auch keinen Korrekturbedarf bei den Eigenheimpreisen. Etwas anders sieht es auf dem Mietwohnungsmarkt aus. Hier gab es in den Jahren 2004 bis 2007 große Immobilientransaktionen, vornehmlich weil sich Kommunen und Nicht-Immobilienunternehmen von ihren Wohnungsbeständen getrennt haben. Dies hat – unterstützt auch durch sehr günstige Finanzierungskonditionen – zu steigenden Preisen bei diesen großen Portfoliotransaktionen geführt, die sich in der aktuellen Marktsituation mit Sicherheit nicht mehr erzielen lassen.
Um zum Eigenheimmarkt zurückzukommen: Vor massiven Einbrüchen wie in den USA wird uns das deutsche System mit seiner vergleichsweise stabilen Finanzierungsstruktur wohl tatsächlich bewahren. Aber auch hier wird die Krise ihre Spuren hinterlassen. Wir haben schon vor Ausbruch der Turbulenzen gesehen, dass die Anschaffungsneigung deutlich zurückgegangen ist. Allerdings haben hier Vorzieheffekte im Zusammenhang mit der Abschaffung der Eigenheimzulage eine wichtige Rolle gespielt. In den kommenden Monaten wird die steigende Arbeitslosigkeit die Märkte belasten, ein Gegengewicht bilden allerdings die äußerst niedrigen Hypothekenzinsen.

Wie sieht es auf den anderen Segmenten des Immobilienmarktes aus?

Ganz klar in Mitleidenschaft gezogen werden die Büromärkte, die vom Konjunkturzyklus abhängig sind. Dies gilt insbesondere für die zentralen Standorte wie München, Frankfurt, Berlin, Hamburg oder Düsseldorf. Vergleichsweise stabil hält sich bislang der Markt für Einzelhandelsimmobilien. Aber auch hier ist mit dämpfenden Effekten zu rechnen.

Dr. Peter Westerheide, Jahrgang 1962, studierte nach Berufausbildung und -tätigkeit in der Druckindustrie Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke und promovierte Ende 1998 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Seither ist er am ZEW tätig. Westerheide fungiert als stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" und ist für den neuen Forschungsschwerpunkt "Immobilien und Kapitalmärkte" verantwortlich. Weitere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Vermögensbildung, Sparverhalten und Altersvorsorge sowie Unternehmensfinanzierung.

Die deutschen Immobilienaktien sind – im Gegensatz zu den deutschen Immobilienpreisen – in den letzten Monaten regelrecht abgestürzt. Wie lässt sich das mit der vergleichsweise hohen Stabilität der deutschen Immobilienmärkte vereinbaren?

In der Tat erscheinen die Immobilienaktien – gemessen an den laufenden Mieterträgen der Unternehmen – derzeit günstig bewertet. Die Bewertungen der Aktien liegen im Allgemeinen weit unter ihrem Buchwert, die Papiere sind also viel weniger wert als der zugrunde liegende Immobilienbestand. Auch die Dividendenrenditen sind aufgrund der stabilen laufenden Mieteinnahmen der Unternehmen zum Teil sehr hoch. Was in den niedrigen Kursen zum Ausdruck kommt, sind daher einerseits Befürchtungen, dass die Leerstandsquoten steigen werden und der Immobilienbestand abgewertet werden muss. Andererseits sind viele Immobilienunternehmen hoch verschuldet. Es erschien zumindest zeitweise fraglich, ob die Refinanzierung dieser Schulden immer gesichert werden kann. Wenn eine Anschlussfinanzierung scheitert, sind Insolvenzen nicht auszuschließen. Ferner besteht die Gefahr, dass große Anteilseigener – etwa Finanzinvestoren – in Not geraten und Teile ihrer Aktienbestände abstoßen müssen. Letztlich spielt natürlich auch das allgemeine Kapitalmarktumfeld eine Rolle: Die Immobilienaktien können sich dem allgemeinen Abwärtstrend nicht entziehen.

Kann man schon etwas zu den längerfristigen Entwicklungsperspektiven sagen?

Bedingt: Für die gewerblichen Immobilienmärkte ist es unerlässlich, dass die Probleme im Bankensektor bereinigt werden. Große Transaktionen können üblicherweise nur unter Beteiligung mehrerer Partner finanziert werden, etwa durch syndizierte Kredite oder Verbriefungen. Beides ist im Moment sehr schwierig. Zudem ist eine Neuemission von Immobilienpapieren am Kapitalmarkt in der aktuellen Situation so gut wie unmöglich. Im Eigenheimbereich ist es wichtig, dass sich die Einkommensperspektiven stabilisieren. Entscheidend ist auch, wie die neue Wohneigentumsförderung akzeptiert wird und ob sie den Markt auf absehbare Zeit tatsächlich stützen kann: Die Wohn-Riester-Förderung ist recht kompliziert. Erste Schätzungen zu Vertragsabschlüssen, die kürzlich veröffentlicht worden sind, deuten auf einen recht guten Start hin, dürften allerdings vielfach Bausparprodukte betreffen. Diese Verträge werden weitgehend erst mit Zeitverzögerung am Wohnungsmarkt nachfragerelevant.