Mutter-Kind-Interaktion im Säuglingsalter, Familienumgebung und Entwicklung früher kognitiver und nicht-kognitiver Fähigkeiten: Eine prospektive Studie

ZEW Discussion Paper Nr. 10-041 // 2010
ZEW Discussion Paper Nr. 10-041 // 2010

Mutter-Kind-Interaktion im Säuglingsalter, Familienumgebung und Entwicklung früher kognitiver und nicht-kognitiver Fähigkeiten: Eine prospektive Studie

In der vorliegenden Studie wird anhand von Daten einer prospektiven Längsschnittstudie (Mannheimer Risikokinderstudie) untersucht, welchen Beitrag die Qualität der Mutter-Kind-Interaktion (MKI) im Säuglingsalter zur Vorhersage kognitiver (Intelligenzquotient, IQ) und nicht-kognitiver Fähigkeiten (Persistenz) bis zum Vorschulalter leistet. Die Mutter-Kind-Dyade wird, dem Ansatz der Interaktionsforscher folgend, sowohl vom Verhalten der Mutter als auch von demjenigen des Kindes und der resultierenden Verhaltensanpassung beeinflusst. Die Mannheimer Risikokinderstudie ist eine prospektive Längsschnittsuntersuchung, die im Jahre 1986 begonnen wurde. Die Mutter-Kind-Interaktion wird mit einer zehnminütigen Videoaufzeichnung einer Pflege- und einer Spielsituation erfasst. Das mütterliche Verhalten wird in acht Dimensionen (Emotion, Zärtlichkeit, Lautäußerungen, verbale Restriktion, Kongruenz / Echtheit, Variabilität, Reaktivität / Sensitivität und Stimulation) beurteilt, das kindliche Verhalten in fünf (Emotion/Mimik, Lautäußerungen, Blickrichtung, Reaktivität, potenzielle Interaktionsbereitschaft). In der Studie werden ökonometrische Modelle geschätzt, die zusätzlich zu den durch Verhaltensbeobachtung gewonnenen MKI-Maßen die psychosoziale und organische Risikobelastung bei Geburt, die sozio-emotionale Familienumgebung und das Haushaltseinkommen enthalten. Unseren Regressionsanalysen zufolge tragen die beiden betrachteten Interaktionsmerkmale, Feinfühligkeit der Mutter und Reaktivität des Kindes, signifikant zur Prognose des IQ bis zum Vorschulalter bei. Die Feinfühligkeit der Mutter trägt ferner zur Prognose der Persistenz im Vorschulalter bei. Aus methodischer Sicht ergibt sich das wichtigste Resultat unserer Studie, dass die Feinfühligkeit der Mutter in der Dyade, die aus einer zehnminütigen Videoaufzeichnung im Säuglingsalter ermittelt wurde, bereits einen wichtigen Beitrag zur Prognose des IQ zu leisten vermag. Unsere Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, dass erhebliche Unterschiede in der Feinfühligkeit der Mütter in der Dyade bestehen. Inhaltlich bedeutet dies, dass die Entwicklung von Fähigkeiten, die in der Dyade ihren Ursprung haben, von Beginn an durch eine hohe Ungleichheit der Entwicklungsbedingungen zwischen den Kindern gekennzeichnet ist. Wichtige mütterliche Verhaltensmuster, die negative Auswirkungen auf die Entwicklung haben, sind Bestrafungen, Einschränkungen und mangelnde Kontingenz im Säugling- und Kleinkindalter. Da sich die Feinfühligkeit von Müttern trainieren lässt, sollten wirksame Hilfen für im frühen Alter benachteiligte Kinder (Kinder, die in der frühen Interaktion wenig Stimulation und Kontingenz erfahren) bereits im Säuglingsalter einsetzen.

Blomeyer, Dorothea, Manfred Laucht, Friedhelm Pfeiffer und Karsten Reuß (2010), Mutter-Kind-Interaktion im Säuglingsalter, Familienumgebung und Entwicklung früher kognitiver und nicht-kognitiver Fähigkeiten: Eine prospektive Studie, ZEW Discussion Paper Nr. 10-041, Mannheim.

Autoren/-innen Dorothea Blomeyer // Manfred Laucht // Friedhelm Pfeiffer // Karsten Reuß